Lachen und Sterben?

Lachen und Sterben?

Lachen und Sterben?

Lachen und Sterben? Das passt doch nicht. Sterben ist traurig, nicht fröhlich. Das stimmt, wenn es wirklich um Fröhlichkeit und gute Stimmung geht. Aber das „Lachen“ ist mehr als Fröhlichkeit und gute Stimmung. Das Lachen ist Bestandteil des Humors, und der muss nicht fröhlich sein. Es gibt ja auch schwarzen Humor oder Galgenhumor. Aber darum geht es auch nicht – zumindest nicht nur.

In letzter Konsequenz ist Humor der Versuch des Menschen, die Vergeblichkeit und die Endlichkeit seines Daseins abzumildern. Auch das Scheiterns Sterbens. Humor ist geronnene Lebenserfahrung und die wirklich guten Witze sind die, die diese Lebenserfahrungen aufgreifen, aufspießen, übertreiben, verzerren. Wenn die Banalität hinter dem scheinbar Wichtigen sichtbar wird, wird es komisch. Wenn der Unsinn hinter dem scheinbar Sinnvollen sichtbar wird, wird es komisch. Und so ist es auch, wenn wir das Endliche, das Vergebliche hinter dem scheinbar Ewigen und Starken erkennen – dann müssen wir lachen, wenn wir es können.

Nicht umsonst haben die Juden im Laufe der Jahrhunderte als verfolgte Minderheit ihren eigenen Humor entwickelt, der es ihnen leichter machte, in den meist misslichen Zeiten zurechtzukommen. Ein Beispiel: „Im Jahre 1938 sitzen einander in der New Yorker U-Bahn zwei gerade eingewanderte deutsche Juden gegenüber. Der eine liest den Stürmer, das Hetzblatt Julius Streichers. Der andere liest die jüdische Zeitung, den Forverts, und wird allmählich aufgeregt. Endlich fragt er seinen Landsmann, „Wieso lesen Sie dieses furchtbare Blatt? Es ist nur reiner Antisemitismus, Judenhatz.“ Der erste Jude guckt vor sich hin. Er sagt: „Schauen Sie. Was steht in Ihrer Zeitung? Überall sind die Juden Flüchtlinge. Man verfolgt uns. Man wirft Steine und Bomben in die Synagogen. Ich lese die Nazi-Zeitung, denn sie ist zuversichtlicher. Wir besitzen die Banken! Wir besitzen die großen Firmen! Wir beherrschen die Welt!“.

Konrad Adenauer hat einmal gesagt, Humor zu haben sei eine Gnade Gottes (wörtlich sagte er natürlich „Jnade Jottes“). Ich denke auch, daß Humor zu den Gnadengaben Gottes gehört. Von Reinhold Niebuhr stammt das berühmte Gebet: „Herr gib mir die Kraft, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann und die Erkenntnis, das eine vom anderen zu unterscheiden“. Wenn die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, Humor ist, dann ist Humor eine echte Lebenshilfe. Dann macht er das Herz leichter.

Ich habe auch oft die Erfahrung gemacht, daß in den Trauergesprächen mal kurz gelacht wurde, wenn man sich an eine wirklich komische Angewohnheit des oder der Verstorbenen erinnerte. Und daß mir die Menschen dankbar sind, wenn ich das dann auch in meine Ansprache einbaue und für den Bruchteil einer Sekunde ein leichtes Lächeln über die Gesichter der Trauernden huscht.

So möchte ich zum Abschluss einen Großmeister des Humors bemühen –

Eugen Roth:
„Ein Mensch sieht ein, daß wer, der stirbt, den andern nur den Tag verdirbt.“