„Operation Friedhof“

„Operation Friedhof“

„Operation Friedhof“

Ein befreundeter Bestatter erzählte mir neulich, daß er einen Typen mit Kamera erwischt habe, der sich in irgendwelchen Büschen auf dem Friedhof herumtrieb. Es stellte sich heraus, daß es ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes gewesen ist, der „Tatortfotos“ machen, d.h. Verstöße gegen die Corona-Verordnungen bei Beerdigungen dokumentieren wollte. Zur eventuellen Bußgelderhebung.

Nach sechs Monaten „Ausnahmezustand“ bei Beerdigungen habe ich schon lange den Überblick verloren, was gerade gilt, wieder gilt, immer noch gilt oder nicht mehr gilt. Das Tragen von Masken im Freien trotz Mindestabstand scheint inzwischen geboten zu sein, denn alle machen es – außer mir, denn ich muss verstanden werden und meine Worte wären als Genuschel durch die Maske eine Zumutung für die Trauernden.

Ein anderer Bestatter erzählte, er hätte eine „Verwarnung“ vom Ordnungsamt bekommen. Eine anonyme Friedhofsbesucherin hätte angerufen, sie hätte bei einer Trauerfeier in der Halle 20 statt 19 besetzte Stühle gezählt. Das Bußgeld für einen illegal eingeschleusten Trauergast beträgt 2.500,00 € pro Gast. Der Bestatter entgegnete, die Dame müsse sich verzählt haben, es wären sicherlich nur 19 Stühle gewesen. Auf Basis der Zählung einer anonymen Beobachterin konnte das Amt also das Bußgeld nicht verhängen. Aber zumindest hat man angerufen und der Bestatter war gewarnt und wird demnächst noch sorgfältiger die Stühle zählen.

Ich bin in der Regel zu beschäftigt, um solche Dinge überhaupt wahrzunehmen. Traditionell freue ich mich auch für die Angehörigen, wenn viele Menschen zur Trauerfeier kommen, denn dies ist ein Zeugnis für die Wertschätzung, die der oder die Verstorbene bei seinen Mitmenschen besessen hat. Und so etwas ist immens tröstlich. Darum finde ich – Vorschrift hin, Vorschrift her – diese Erbsenzählerei sehr befremdlich. Die Tatsache, bei seelisch stark belasteten Menschen die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften mittels Strafandrohung einzufordern, finde ich sogar mehr als nur befremdlich.

Es ist klar: Wenn Vorschriften und Regeln existieren, sind sie einzuhalten, auch wenn man ihren Sinn nicht immer nachvollziehen kann. Bei alkoholischen Exzessen und nächtlichen Partys mit Randale verstehe ich das auch. Für das Nachschnüffeln auf Beerdigungen, wo es sehr persönlich und intim zugeht, habe ich keinerlei Verständnis.

Die Herausforderungen einer Krise spülen das Gute und das Schlechte im Menschen nach oben. Mit Schnüffeleien, Nachspionieren und Denunzieren von Trauernden ist es das Schlechteste, was hochgespült wird. Hier wird eine Mentalität gefördert, wie wir sie zuletzt in der DDR bei der Staatssicherheit und ihren offiziellen und inoffiziellen Mitarbeitern gekannt haben. „Operation Friedhof“. Entsetzlich, so was!

Bild von George Tudor auf Pixabay
Der Buß- und Bettag

Der Buß- und Bettag

Der Buß- und Bettag

An den Buß- und Bettag habe ich keine guten Erinnerungen. Mitten im November, meistens war das Wetter und die Stimmung schlecht. Wenn es nicht regnete, machten meine Eltern mit mir langweilige Ausflüge in langweiligen Gegenden, die mit langweiligem Kaffeetrinken in langweilen Landgasthäusern endeten.

Da es ein evangelischer Feiertag war, gingen wir auch nicht in die Kirche. „Feiertag mit ohne Kirche“ wurde er genannt und mein Vater sprach immer bewusst von „Buß- und Bett-Tag“. Bis zu seiner Abschaffung als arbeitsfreier Feiertag 1994 habe ich nicht einen Gedanken daran verschwendet, warum wir diesen Tag überhaupt begangen haben. Zu Allerheiligen gingen wir mit Gestecken und Lichtern auf den Friedhof, am Volkstrauertag legten sie Kränze an Kriegerdenkmälern nieder und an Totensonntag gingen die Evangelischen mit Gestecken und ohne Lichter auf den Friedhof. Was der Buß- und Bettag sollte, war mir nie klar gewesen.

Büßen und beten klingt auch nicht sehr einladend. Man assoziiert Selbstanklagen, in „Sack und Asche gehen“ und andere negative Dinge. Dabei sind Büßen und Beten eigentlich sehr wunderbare Dinge, wenn man sie aus dem sauertöpfischen Umfeld herauslöst, in das die (speziell evangelischen) Kirchen sie gestellt haben.

Zunächst das Beten. Das Gebet ist das Gespräch mit Gott. Alles, was wir heute an Selbsterkenntnis, Selbstfindung, Mediation u.a. praktizieren, hat seinen Ursprung im Gebet. Ob persönlich oder in Gemeinschaft. Auch wenn wir nicht wissen, wie und wo wir Gott begegnen können, im Gebet finden wir ihn. Fürbittgebete sind zudem der erste Schritt in Richtung tätiger Nächstenliebe: Wo ich zu schwach zu helfen bin, bitte ich Gott um Beistand. Das ist doch wunderbar – und überhaupt nicht negativ.

Das Wort „Buße“ hat natürlich einen negativen Klang. Es wird leicht mit Strafe in Verbindung gebracht oder mit Rache. „Das sollst du mir büßen“ lautet eine Redewendung und die StVO nennt ihre Strafen auch noch unsinnigerweise „Bußgeld“. Buße tun aber bedeutet, bereuen, Einsicht in eigenes Fehlverhalten zu bekommen, und der Vorsatz, zukünftig diese Fehler zu vermeiden – und wenn nötig, entstandenen Schaden wiedergutzumachen. Auch seelischen Schaden. Buße ist die Basis der Versöhnung, die Basis des neuen und besseren Umgangs mit den Mitmenschen. Und das ist auch wunderbar und gar nicht negativ.

Bild von Himsan auf Pixabay

St. Martin

St. Martin

St. Martin

Der Heilige Martin gehört zu den populärsten Heiligen der Kirche. Besonders das Brauchtum (Laternenumzüge, Martinsgans u.a.) erfreut Kinder und Erwachsene. Um so schlimmer, daß man den Kindern dieses Jahr diese Freude weggenommen hat. Theologisch steht der Heilige Martin für die Verkündigungen Jesu im Weltgericht: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Der Bettler, mit dem Martin seinen Mantel teilt, ist Gott selbst in Gestalt eines seiner geringsten Brüder. Wir können also stolz sein auf unseren Heiligen und es besteht kein Anlass, das Martinsfest hinter einem „Laternenfest“ zu verstecken. Unsere Martinsgans essen wir ja, weil in der Legende die Gänse mit ihrem Geschnatter den Heiligen Martin verraten haben, als er sich vor denen verstecken wollte, die ihn zum Bischof machen wollten. Tatsächlich begann in der Alten Kirche zu St. Martin am 11. November die vorweihnachtliche Fastenzeit. Sie dauerte sechs Wochen, 40 Tage, wie die vorösterliche heute noch. Und wie vor Beginn des vorösterlichen Fastens ließ man es sich auch vor Beginn des vorweihnachtlichen Fastens noch einmal gutgehen. Zudem war Martini das Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres, neuer Wein konnte probiert werden (Martinswein) es war der Termin für den Viehabtrieb oder das Ende des Weidejahres sowie der traditionelle Tag, an dem die Entrichtung des Zehnten fällig war. Die Steuern wurden früher in Naturalien bezahlt, auch in Gänsen. An diesem Tag begannen und endeten Dienstverhältnisse, Pacht-, Zins- und Besoldungsfristen. Wie so oft, greifen der bäuerliche und der kirchliche Kalender ineinander. Die Tradition, daß der rheinische Karneval seine Session am 11. November eröffnet, ist allerdings erst im 19. und 20. Jahrhundert entstanden und hat mit dem bäuerlichen und christlichen Brauchtum nichts zu tun.
Allerseelen

Allerseelen

Allerseelen

Am 2. November feiert die katholische Kirche das Fest „Allerseelen“. An diesem Tag gedenkt die Kirche all ihren Verstorbenen, „allen Seelen“. Traditionell werden in der Allerseelenmesse die Namen der Verstorbenen des letzten Jahres vorgelesen. Die liturgische Farbe ist lila, also wie in der Fasten- und Adventszeit. Im Gottesdienst werden darum auch kein Gloria und kein Halleluja gesungen.

Der Gang zum Friedhof und die Gräbersegnung ist ursprünglich auf Allerseelen gewesen und hat sich aus pragmatischen Gründen auf den (arbeitsfreien) Vorabend an Allerheiligen verschoben. Der Allerseelentag am 2. November geht auf Abt Odilo von Cluny zurück; er hat diesen Gedenktag in allen von Cluny abhängigen Klöstern eingeführt. Bald wurde der Allerseelentag auch außerhalb der Klöster gefeiert. Für Rom ist er seit Anfang des 14. Jahrhunderts bezeugt. Von Cluny aus verbreitete sich der Allerseelentag in der ganzen lateinischen Kirche. Er steht theologisch in enger Verbindung mit der Lehre vom Fegefeuer (Reinigungsort, Purgatorium) als Ort der Läuterung der Verstorbenen, die Hilfe von den Lebenden durch Gebet, Fasten und Almosen erhalten.

In Mexiko hat das Fest einen besonderen Stellenwert: Der „Dia de Muertos“ (Tag der Toten) wird auf eine für uns befremdliche Art und Weise gefeiert. Der Tag der Toten ist keine Trauerveranstaltung, sondern ein farbenprächtiges Volksfest zu Ehren der Toten. Nach dem Volksglauben kehren die Seelen der Verstorbenen an diesen Tagen zu den Familien zurück, um sie zu besuchen. Während der Tage steht das Gedenken an die Verstorbenen im Vordergrund. Die Straßen werden mit Blumen geschmückt, Symbole des Todes und der Vergänglichkeit, Skelette und Schädel in den unterschiedlichsten Ausführungen, stehen in den Schaufenstern, überall sieht man Abbildungen der Calavera Catrina. Konditoreien produzieren kurz vor dem Fest die Calaveras de Azúcar, Totenschädel aus Zucker, Schokolade, Amaranto, Marzipan u. a., die die Namen der Toten auf der Stirnseite tragen.

Das Brauchtum zum Tag der Toten wurde 2003 von der UNESCO zum Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit ernannt und 2008 in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit übernommen.