In die Grube fahren: Abschied konkret
„In die Grube fahren“ und anderes: Fürs Sterben hält die Umgangssprache so viele Wörter bereit wie fürs Trinken. Die meisten dieser Redewendungen dienen dazu, den Schrecken des Sterbens durch Umschreibungen zu mildern.
Aber es gibt auch ein echtes „in die Grube fahren“ – das Versenken des Sarges oder der Urne im ausgehobenen Grab am Ende einer Bestattungsfeier. Für viele Menschen ist das der schlimmste Moment der Beerdigung und mir haben schon manche erzählt, daß sie sich gerade vor diesem Moment – wenn der Sarg oder die Urne herabgesenkt wird – am meisten fürchten.
Ich kann das verstehen. Es ist furchtbar und der schlimmste Moment auf einer Beerdigungsfeier. Aber dieser schlimme Moment ist notwendig, weil er eine elementare Bedeutung für die Trauer hat. Er macht mit aller Deutlichkeit bewusst, daß spätestens jetzt das alte Leben zu Ende ist. Aber es besagt auch: Das alte Leben ist zu Ende und das neue Leben wartet auf einen. Und in dem Sinne heißt Trauern, sich äußerlich und innerlich vom Grab entfernen und zu akzeptieren, daß das alte Leben nicht wiederkehrt.
Aber vorher muss man sich dem stellen. Denn diese „Grablegung“ ist für unsere Seelen wichtig. Denken Sie an die Menschen, die ihre Angehörigen bei Unglücken, im Krieg oder bei Naturkatastrophen verloren haben. Sie leiden nicht nur unter dem Verlust der Menschen, sondern auch darum, daß sie keinen Ort für ihre Trauer haben.
Als ich meine Ausbildung zum Notfallseelsorger machte, erzählte einer unserer Ausbilder, sein Vater sei 1942 bei Stalingrad gefallen. Nun hätte man dort die meisten Toten identifizieren und ein Gräberfeld anlegen können mit einer Mauer, auf deren einen Seite die russischen und auf deren anderen Seiten die deutschen Soldaten namentlich aufgeführt wären. Zur Einweihung dieses Denkmals fahre er nach Russland und dann sei die Trauer über den Tod des Vaters nach 70 Jahren für ihn abgeschlossen.
Ich denke, diese kleine Geschichte sagt eine Menge über Abschied und Orte der Trauer.