Kinder und Tod: Wenn Eltern sterben
Im letzten Jahr hatte ich binnen zwei Wochen drei Beerdigungen, bei denen zweimal der Vater, einmal die Mutter von Kindern beerdigt wurden. Die Jungen waren 8, 10 und 12 Jahre. Zweimal plötzlicher Tod, einmal Suizid.
Die Bilder, wie diese untröstlichen Kinder mit ihren Luftballons vor dem Grab gestanden haben, steckten mir noch sehr lange in den Knochen. Ich bin ein Profi, anders kann man diesen Beruf nicht ausüben. Zur Empathie gehört auch die professionelle Distanz. Aber manchmal wird es auch mir zu viel.
In den Gesprächen wirkten die Kinder seltsam entrückt. Es war mir klar, daß sie die Dimension all dessen, was in ihr Leben hereingebrochen ist, nicht im vollen Sinne erfassen konnten. Letztendlich geht es uns Erwachsenen ja auch nicht anders, denn ohne diese „Schockstarre“ wären wir überhaupt nicht in der Lage, die Tage rund um die Beerdigung zu organisieren und zu überstehen. Ins Loch fallen wir erst, wenn der Stress nachgelassen hat.
Die drei Jungs haben sich für mich derart zentral in die Mitte geschoben, daß ich zum ersten Mal ernsthaft über kindliche Trauer nachgedacht habe. Denn in unserer Gesellschaft übersehen wir oft die Kinder. Sie werden als Trauernde nicht wahrgenommen und stören oft auch noch im Gefüge. Dabei können Kinder sehr wohl trauern. Sie haben oft ihren eigenen Weg. Sie trauern auf ihre Weise, nicht so wie Erwachsene. Für Kinder sind aber diese ersten Erfahrungen mit Tod und Trauer die wichtigsten und prägendsten. Sie kennen ja meist keine anderen Kinder, die trauern. Diese Erfahrungen prägen oft das Verhalten und die Vorstellung von Tod und Trauer bis ins Erwachsenenalter hinein.
Unsere Aufgabe als Erwachsene ist es, die spezielle Trauer der Kinder zu verstehen und ernst zu nehmen. Da Kinder in der Gegenwart leben, wird ihr Verhalten oft nicht richtig eingeordnet und missverstanden. Sie springen in ihre Trauer hinein und auch wieder so schnell und sprunghaft hinaus. Dadurch wird es schwierig, klare Phasen der Trauer zu erkennen. Sie sind oft verwischt und überlappen sich. Aber es ist wichtig, offen und ehrlich zu reagieren. Man hilft Kindern nicht durch falsches „Beschützen“ oder „in Watte packen“. Denn die Kleinen sind klüger als wir oft annehmen.