Wut statt Trauer?
Diese Menschen haben aber oft das Gefühl, daß die Wut keine angemessene Reaktion auf das Sterben ist. Oft sind sie wütend, aber sie versuchen, diese Wut zu kaschieren oder vor anderen (und sich selbst) zu rechtfertigen. Manche meinen, sie „dürften“ nicht wütend sein. Denn Die Wut gilt in den meisten Kulturen als verwerflich und ist gesellschaftlich nicht akzeptiert. Sie entspricht nicht dem erwarteten Sozialverhalten. Wer gilt schon gerne als „Wüterich“? Oder als „Choleriker“?
Dabei ist die Wut eine gesunde Form, zu trauern. Prinzipiell kann in Ausnahmesituationen und unter starkem Stress jeder Mensch wütend werden. Und was ist mehr „Ausnahmesituation“ oder „Stress“ als der Verlust eines Menschen? Wenn einem in der Trauer die Wut packt, dann ist das eine „normale“ Reaktion auf ein „unnormales“ Ereignis.
Wenn ich mit wütenden Trauernden zu tun hatte, war sie weniger auf Gott oder das Schicksal wütend, sondern auf den oder die Verstorbene selbst. „Wie konnte er / sie mir das antun?“, so lautete oftmals die wütende Frage an mich. Wer so redet, fühlt sich verraten, im Stich gelassen. Wut ist eine Form, den Verlust eines Menschen zu beklagen. Das ist normal, und manchen hilft es sogar, mit ihrer Trauer umzugehen.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass häufig unterdrückte Wut Krankheiten hervorrufen kann, vergleichbar mit ständiger Belastung durch Stress. Also raus mit der Wut. Sie kann zur Trauer dazu gehören, muss es aber nicht. In der Regel ist es auch so, daß sie relativ schnell wieder verfliegt. Es muss also nicht heißen, „Wut statt Trauer“, sondern „Wut und Trauer“. Und was andere von einem denken, soll einem ziemlich egal sein, wenn man trauert.