Moderne Trauermusik
Noch vor einer Generation waren viele Musiktitel, die heute auf Beerdigungen erklingen, undenkbar. Selbst bei nicht-christlichen Beerdigungen wurden von einem Organisten klassische Melodien gespielt, eben halt nur keine Kirchenlieder. Und der oder die Verstorbene im Chor sang oder in einer Kapelle musizierte, dann sang oder spielte man zur Trauerfeier Lieder aus dem Repertoire.
Heute ist das anders. Es hat nicht nur damit zu tun, daß es heute weniger rein kirchliche Beerdigungen gibt, es liegt auch an der Möglichkeit, Musik digital abzuspielen. Mit Schallplatten oder Musik-Cassetten kann man nicht auf den Friedhof, mit einem Stick schon.
Ein weiterer Grund ist, daß Beerdigungen heute persönlicher geworden sind. Der oder die Verstorbene selbst steht mehr im Mittelpunkt des Geschehens. Auch bei klassischen katholischen Beerdigungen wird heute vom Verstorbenen geredet. Vor 25 Jahren war das noch undenkbar. Allerhöchstens stellte man bei bedeutenden Persönlichkeiten einen Nekrolog zeitlich vor die eigentliche Trauerfeier.
Ich sehe das anders. Natürlich finde ich die Musik, die da gespielt wird, oftmals grauenhaft. Aber zum einen gilt für mich die alte Anglerweisheit, daß der Wurm dem Fisch und nicht dem Angler schmecken muss. Zum anderen ist es doch so, daß diese Feier die letzte gemeinsame Stunde ist, die Familie, Angehörige und Freunde mit dem bzw. der Verstorbenen verbringen. Auch wenn sie tot sind, sind sie doch noch präsent, sei es im Sarg oder in der Urne.
Diese letzte Stunde, die Stunde des Abschieds, sollte – bei aller Trauer – auch schön und im Sinne der Verstorbenen sein. Und dazu gehört (auch) die Musik, die er oder sie oder die man gemeinsam gehört hat, die ein tröstliches Erinnern an die schönen Stunden ist, die man miteinander verbracht hat. Trotz aller Tränen: Eine Abschiedsfeier ist eine Feier. Und zu einer Feier gehört Musik. Und diese Musik muss denen gefallen, die feiern. Sonst niemandem. Auch mir nicht.