Der Tod als Feind

Der Tod als Feind

Der Tod als Feind

„Der Tod muss abgeschafft werden. Diese verdammte Schweinerei muss aufhören. Wer ein Wort des Trostes spricht, ist ein Verräter“. Dieser provokante Satz stammt von Bazon Brock. Natürlich wirkt er auf den ersten Blick sinnlos, denn der Tod lässt sich nicht „abschaffen“ – im Gegenteil: Er ist omnipräsent und ewig. Der Satz macht Sinn, wenn er den Tod als „Feind“ benennt, als konkrete Bedrohung des Lebens. Tatsächlich erfahren wir den Tod ja auch als „feindlich“, als jemanden, der uns nach dem Leben trachtet und der auch denen nach dem Leben trachtet, die uns lieb und teuer sind. Wir haben natürlich gemerkt, daß wir Menschen gegen den Tod machtlos sind, daß er den Kampf gegen jeden von uns immer gewinnen wird. In dem Moment, in dem wir geboren werden, wissen wir nur eins, nämlich daß wir dereinst sterben werden. So lesen wir im Buch Hiob: „Ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahinfahren. Der HERR hat’s gegeben, der HERR hat’s genommen; der Name des HERRN sei gelobt“ (Hiob 1,21). Religionen sind auch und wesentlich Auseinandersetzungen mit dem Tod, mit der Endlichkeit unserer Existenz. Heute haben wir durch Wissen um gesundes Leben und die Errungenschaften der modernen Medizin die Chance, einen temporär erfolgreichen Kampf gegen den Tod zu führen. Früher war das nicht möglich. Und da die Menschen wussten, daß sie den Tod nicht bekämpfen und besiegen konnten, haben sie sich mit ihm arrangiert. Die einen mehr, die anderen weniger. Die einen mit ihrem Glauben, die anderen ohne Glauben. Am Weitesten ging der Heilige Franziskus mit seinem „Bruder Tod“ (eigentlich „Schwester Tod“, denn das italienische „la morte“ ist weiblich), wo der Tod des Körpers (la morte corporale) integraler Bestandteil des Lebens ist. Die Worte des Heiligen sind versöhnlich, fast zärtlich. Aber das ist nicht jedem gegeben. Man kann jemanden als seinen Feind betrachten, der ihm „nach dem Leben trachtet“. Man kann sich wehren gegen den Feind, ihn bekämpfen, ihm Niederlagen zufügen. Es ist auch wichtig, zu erleben, daß Menschen dem Tod „von der Schippe springen“. Am Ende wird es vielen Menschen selbst ein Trost sein, sich gewehrt zu haben, um sich am Ende friedlich und versöhnt zu ergeben. Denn etwas Besseres werden wir nicht erreichen können.
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Mutter Corona und Mutter Teresa

Mutter Corona und Mutter Teresa

Mutter Corona und Mutter Teresa

Bitte nicht falsch verstehen: Es ist nachvollziehbar, daß auch unsere Kirchenleitung Verantwortung für die Gesundheit ihrer Angestellten und Mitarbeiter tragen. Die Frage, ob sie auch Verantwortung für die Gesundheit der Gläubigen haben, ist nicht so einfach zu beantworten.

Seit einiger Zeit kann man wieder Gottesdienste besuchen, die aber man eher Gesundheitsdienste nennen sollte. Man hat sich bei den „Hygienekonzepten“ viel Mühe gegeben. Ich habe mal gegoogelt, ob die Kirche auch eine Heilige Hygiene verehrt, bin ich nicht fündig geworden. Aber das kann man ja ändern.

Was mich irritiert, ist der Geist, der aus diesen Verordnungen, diesen „Botschaften“, atmet. Es ist nicht der Geist der tätigen Nächstenliebe, der aktiven Fürsorge, der Seelsorge. Es ist der Geist der Sterilität. Mutter Corona hat Mutter Teresa ersetzt. Unter der aktuellen Hygienesorge hätte es die Seelsorge und die Fürsorge einer Mutter Teresa und vieler anderer Heiligen nie gegeben. Es gäbe keine Barmherzigen Brüder, keine katholischen Krankenhäuser, keine Caritas, keine Sterbesakramente. Jesus heilte den Aussätzigen, in dem er ihn berührte (Mk 1,41). Angesichts der geltenden Hygienemaßen müsste er die Heilung verweigern. Der Mensch ist wieder für den Sabbat da und nicht der Sabbat für den Menschen.

Hier beerdigen wir gerade auch ein Stück christliches Selbstverständnis. Christentum ist gelebte Zuwendung, nicht befohlene Abwendung. Bei der Entwicklung der aktuellen Infektionszahlen kommen auch mir immer mehr Zweifel auf, ob der ganze Zirkus überhaupt noch nötig ist, ja ob er je nötig war. Und manchmal habe ich bei Politikern und Wissenschaftlern den Eindruck, daß sie die berühmte „zweite Welle“ förmlich herbeisehen, damit ihr Aktivismus nicht nach und nach ad absurdum geführt wird.

Aber es gibt auch gute Nachrichten: Auf den Beerdigungen kehrt mehr und mehr Normalität ein. Die Menschen können mehr und mehr wieder in Würde von ihren Liebsten Abschied nehmen. Und das ist auch ein Trost.

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Von anderem Sterben

Von anderem Sterben

Von anderem Sterben

Es sterben nicht nur Kreaturen. Wenn Dinge oder Haltungen verschwinden, spricht man auch im übertragenen Sinne vom Sterben, vom Aussterben, Absterben u.a. So beobachte ich gegenwärtig ebenfalls schleichende Sterbeprozesse.

Zum Beispiel das Sterben der Willkommenskultur. Nicht den Euphemismus für das Schönreden misslungener Integration. Nein, der Willkommenskultur im alltäglichen Miteinander in Zeiten des Hygienewahns.

Ich nenne einige Beispiele. Am letzten Sonntag war ich nach sechs Wochen zum ersten Mal wieder im Gottesdienst. Vor drei Jahren konnte ich krankheitsbedingt gezwungen auch einige Wochen keinen Gottesdienst besuchen. Damals fiel Weihnachten für mich aus. Als ich das erste Mal wieder mitfeiern konnte, habe ich geweint vor Freude. Letzten Sonntag habe ich keine Freude empfunden, sondern hatte nur ein komisches Gefühl.

Natürlich waren die Hygieneregeln befremdlich. Die Liste der Verhaltensregeln war länger als die zehn Gebote. Aber entscheiden war: Ich fühlte mich nicht willkommen. Ich war kein Besucher, kein Gast, kein Gläubiger, ich war ein potenzieller Krankheitsüberträger, vor dem man sich schützen muss.

Das gleiche gilt für Restaurants, die jetzt wieder unter Auflagen öffnen konnten. Diese Auflagen führen dazu, daß die Menschen sich auch dort nicht willkommen fühlen können. Ein Restaurantbesuch dient nicht allein der Nahrungsaufnahme. Hier wird Esskultur gelebt. Auch Trinkkultur. Diese sterben mit der Willkommenskultur weg. Die Restaurants werden offen sein, aber leer. Die Menschen fühlen sich nicht als Gast, sondern als Gefährder behandelt. Mir persönlich ist inzwischen sogar das Einkaufen zuwider. Maske auf, Abstand halten, misstrauische und missgelaunte Mitmenschen, Gereiztheit allerorten.

Und auch die Abschiedskultur stirbt. Ich habe das auf Beerdigungen in den letzten Wochen erlebt. Auch hier war die Hygiene wichtiger als die Trauer. Es ist uns dennoch immer gelungen, eine würdevolle Feier zu machen.

Hier stirbt derzeit mehr als Umsatz und Gewinn. Hier stirbt auch die Kultur des Miteinanders. Wir sollten uns ernsthaft fragen, ob all diese Verluste angemessen sind, um Hygiene zu pflegen. Ich bekomme mehr und mehr Zweifel.

Todesangst

Todesangst

Todesangst

Der Tod ist aus unserer Gesellschaft weitestgehend verschwunden. Man stirbt nicht mehr zu Hause, sondern im Krankenhaus oder im Hospiz und Aufbahrungen finden meist beim Bestatter statt, wenn überhaupt. 

Nicht verschwunden ist die Angst vor dem Tod. Das merkt man in den letzten Wochen seit dem Ausbruch der „Corona-Krise“ besonders deutlich. Für mich wird es besonders durch das Tragen der Schutzmasken symbolisiert. Für die einen ist es eine mehr oder minder sinnvolle Maßnahme, die man befolgen muss. Für andere aber symbolisiert sie die reale Angst, sich anzustecken, krank zu werden und letztlich zu sterben. 

Eine vielfach hedonistische und materialistische Wohlstandsgesellschaft wird plötzlich mit dem Tod, d.h. der eigenen Endlichkeit konfrontiert. Für viele Menschen ist das ein Schock und die Situation wird real als Bedrohung wahrgenommen. Ich habe viel mit solchen ängstlichen Menschen kommuniziert. Ich kann ihre Angst verstehen, aber ich kann das Ausmaß ihrer Angst nicht nachvollziehen. Ich stecke halt nicht in ihrer Haut. 

Vielleicht liegt es auch daran, daß ich seit Jahren Tag für Tag mit Tod und Sterben konfrontiert werde. Der Tod ist mein alltäglicher Begleiter. Und ich weiß auch, daß der Tod jedermanns Begleiter ist. Und daß man sich nicht „schützen“ kann. Ich hatte sie schon alle: Alte, Junge, Kranke, Gesunde, Kerngesunde, Sportliche, Schlanke, Dicke … 

Trotz aller moderner Medizin, die den meisten von uns das Leben verlängert, tritt der Tod immer noch als der „Sensenmann“ in unser Leben, so wie er im Mittelalter geprägt wurde. Wollen wir lebenswert leben, sollten wir das akzeptieren. Denn sterben werden wir alle – mit oder ohne Todesangst.

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Lachen und Sterben?

Lachen und Sterben?

Lachen und Sterben?

Lachen und Sterben? Das passt doch nicht. Sterben ist traurig, nicht fröhlich. Das stimmt, wenn es wirklich um Fröhlichkeit und gute Stimmung geht. Aber das „Lachen“ ist mehr als Fröhlichkeit und gute Stimmung. Das Lachen ist Bestandteil des Humors, und der muss nicht fröhlich sein. Es gibt ja auch schwarzen Humor oder Galgenhumor. Aber darum geht es auch nicht – zumindest nicht nur.

In letzter Konsequenz ist Humor der Versuch des Menschen, die Vergeblichkeit und die Endlichkeit seines Daseins abzumildern. Auch das Scheiterns Sterbens. Humor ist geronnene Lebenserfahrung und die wirklich guten Witze sind die, die diese Lebenserfahrungen aufgreifen, aufspießen, übertreiben, verzerren. Wenn die Banalität hinter dem scheinbar Wichtigen sichtbar wird, wird es komisch. Wenn der Unsinn hinter dem scheinbar Sinnvollen sichtbar wird, wird es komisch. Und so ist es auch, wenn wir das Endliche, das Vergebliche hinter dem scheinbar Ewigen und Starken erkennen – dann müssen wir lachen, wenn wir es können.

Nicht umsonst haben die Juden im Laufe der Jahrhunderte als verfolgte Minderheit ihren eigenen Humor entwickelt, der es ihnen leichter machte, in den meist misslichen Zeiten zurechtzukommen. Ein Beispiel: „Im Jahre 1938 sitzen einander in der New Yorker U-Bahn zwei gerade eingewanderte deutsche Juden gegenüber. Der eine liest den Stürmer, das Hetzblatt Julius Streichers. Der andere liest die jüdische Zeitung, den Forverts, und wird allmählich aufgeregt. Endlich fragt er seinen Landsmann, „Wieso lesen Sie dieses furchtbare Blatt? Es ist nur reiner Antisemitismus, Judenhatz.“ Der erste Jude guckt vor sich hin. Er sagt: „Schauen Sie. Was steht in Ihrer Zeitung? Überall sind die Juden Flüchtlinge. Man verfolgt uns. Man wirft Steine und Bomben in die Synagogen. Ich lese die Nazi-Zeitung, denn sie ist zuversichtlicher. Wir besitzen die Banken! Wir besitzen die großen Firmen! Wir beherrschen die Welt!“.

Konrad Adenauer hat einmal gesagt, Humor zu haben sei eine Gnade Gottes (wörtlich sagte er natürlich „Jnade Jottes“). Ich denke auch, daß Humor zu den Gnadengaben Gottes gehört. Von Reinhold Niebuhr stammt das berühmte Gebet: „Herr gib mir die Kraft, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann und die Erkenntnis, das eine vom anderen zu unterscheiden“. Wenn die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, Humor ist, dann ist Humor eine echte Lebenshilfe. Dann macht er das Herz leichter.

Ich habe auch oft die Erfahrung gemacht, daß in den Trauergesprächen mal kurz gelacht wurde, wenn man sich an eine wirklich komische Angewohnheit des oder der Verstorbenen erinnerte. Und daß mir die Menschen dankbar sind, wenn ich das dann auch in meine Ansprache einbaue und für den Bruchteil einer Sekunde ein leichtes Lächeln über die Gesichter der Trauernden huscht.

So möchte ich zum Abschluss einen Großmeister des Humors bemühen –

Eugen Roth:
„Ein Mensch sieht ein, daß wer, der stirbt, den andern nur den Tag verdirbt.“

Kinder und Tod: Wenn Eltern sterben

Kinder und Tod: Wenn Eltern sterben

Kinder und Tod: Wenn Eltern sterben

Im letzten Jahr hatte ich binnen zwei Wochen drei Beerdigungen, bei denen zweimal der Vater, einmal die Mutter von Kindern beerdigt wurden. Die Jungen waren 8, 10 und 12 Jahre. Zweimal plötzlicher Tod, einmal Suizid.

Die Bilder, wie diese untröstlichen Kinder mit ihren Luftballons vor dem Grab gestanden haben, steckten mir noch sehr lange in den Knochen. Ich bin ein Profi, anders kann man diesen Beruf nicht ausüben. Zur Empathie gehört auch die professionelle Distanz. Aber manchmal wird es auch mir zu viel.

In den Gesprächen wirkten die Kinder seltsam entrückt. Es war mir klar, daß sie die Dimension all dessen, was in ihr Leben hereingebrochen ist, nicht im vollen Sinne erfassen konnten. Letztendlich geht es uns Erwachsenen ja auch nicht anders, denn ohne diese „Schockstarre“ wären wir überhaupt nicht in der Lage, die Tage rund um die Beerdigung zu organisieren und zu überstehen. Ins Loch fallen wir erst, wenn der Stress nachgelassen hat.

Die drei Jungs haben sich für mich derart zentral in die Mitte geschoben, daß ich zum ersten Mal ernsthaft über kindliche Trauer nachgedacht habe. Denn in unserer Gesellschaft übersehen wir oft die Kinder. Sie werden als Trauernde nicht wahrgenommen und stören oft auch noch im Gefüge. Dabei können Kinder sehr wohl trauern. Sie haben oft ihren eigenen Weg. Sie trauern auf ihre Weise, nicht so wie Erwachsene. Für Kinder sind aber diese ersten Erfahrungen mit Tod und Trauer die wichtigsten und prägendsten. Sie kennen ja meist keine anderen Kinder, die trauern. Diese Erfahrungen prägen oft das Verhalten und die Vorstellung von Tod und Trauer bis ins Erwachsenenalter hinein.

Unsere Aufgabe als Erwachsene ist es, die spezielle Trauer der Kinder zu verstehen und ernst zu nehmen. Da Kinder in der Gegenwart leben, wird ihr Verhalten oft nicht richtig eingeordnet und missverstanden. Sie springen in ihre Trauer hinein und auch wieder so schnell und sprunghaft hinaus. Dadurch wird es schwierig, klare Phasen der Trauer zu erkennen. Sie sind oft verwischt und überlappen sich. Aber es ist wichtig, offen und ehrlich zu reagieren. Man hilft Kindern nicht durch falsches „Beschützen“ oder „in Watte packen“. Denn die Kleinen sind klüger als wir oft annehmen.

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