Kann ein Hund trauern?

Kann ein Hund trauern?

Kann ein Hund trauern?

Fynn hat es sogar auf die Todesanzeige seines Herrchens gebracht. Der kleine Jack Russel lag ganz traurig vor dem Sessel, in dem sein Herrchen immer gesessen. Mit Sondergenehmigung hatten sie ihn sogar noch mit ins Hospiz mitgenommen, damit Herr und Hund sich verabschieden konnten.

Damals habe ich mir zum ersten Mal diese Frage gestellt: Kann ein Hund trauern? Wahrscheinlich ist die Frage genauso sinnvoll und sinnlos wie die, ob man seinen Hund lieben kann? Ich denke, die Liebe eines Menschen zu seinem Hund ist genauso verschieden von der Liebe zu anderen Menschen, wie auch die Trauer eines Hundes anders ist als die Trauer eines Menschen?

Ich habe mich also schlau gemacht und fand auf einer Homepage über Hundehaltung. Da las ich: „Die Hunde suchen nach dem Herrchen, wollen nicht mehr fressen, nicht mehr spielen. Die Trauer bei Hunden wirkt dabei genauso emotional, wie wir es von uns selbst kennen. Gründe dafür liegen in der sozialen Struktur des Hundes. Die Bindung des Hundes zwischen seinem Herrchen oder dem Hundepartner ist ähnlich der Bindung zwischen Eltern und Kindern. Dazu kommen Hirnstrukturen, in denen Gefühle verarbeitet werden. Ein weiterer Faktor ist der Hormonhaushalt. Trauer führt bei Menschen zu einem Anstieg der Stresshormone im Blut, die Trauer bei Hunden läuft genauso ab“.

Ähnliche Erfahrungen haben wir mit unserem Hund gemacht, als ich vier Wochen im Krankenhaus lag. Als ich wieder nach Hause kam, ist unser Hund durchgedreht vor Wiedersehensfreude. Das gleiche geschieht auch immer, wenn wir ihn für ein paar Tage in eine Hundepension geben, wenn wir z.B. eine Reise machen, bei der wir ihn nicht mitnehmen können.

In diesem Sinne haben die Angehörigen es auch richtig gemacht, den Hund zum Abschied mit ins Hospiz zu nehmen. Was ich auch noch gelesen habe: Hunden hilft man beim Trauern, wenn man sie oft mit anderen Hunden zusammenbringt. Das lenkt sie ab und führt dazu, daß sie wieder ins normale Leben zurückkehren. Hunde sind eben doch ein wenig wie Menschen.

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Sterben mit Corona

Sterben mit Corona

Sterben mit Corona

Bislang hatte ich noch niemanden, der durch das Corona-Virus verstorben ist. Aber ich hatte vermehr welche, die mit dem Virus gestorben sind. Gestern saß ich mit Ehefrau und Sohn eines Verstorbenen zusammen, der die letzten drei Jahre aufgrund schwerer Demenz im Pflegeheim leben musste. 

Seine Frau besuchte ihn täglich, die Kinder und von ihm geliebten Enkel kamen regelmäßig. Dann wurden die Besuche untersagt und der alte, demente Mann, verbrachte alle seine Zeit allein – oder zumindest ohne die Menschen, die ihm nahestanden. 

Seine Frau erzählte, daß es ab dem Tag 1 der Quarantäne mit ihrem Mann bergab ging. War er noch vorher täglich im Garten spazieren, war jetzt all das, was ihn noch aufrechterhielt, verschwunden. Er durfte nicht mehr nach draußen und er durfte keinen Kontakt nach außen haben. Zum Telefonieren war er zu dement, aber er hat seine Familie noch immer erkannt. 

Jetzt, nach drei Wochen, ist er gestorben. Alleine. Nicht an Corona, aber wegen Corona. Wegen der Maßnahmen, die zu seinem „Schutz“ ergriffen wurden. Es ist pervers. Eine andere Witwe erzählt, daß auch sie ihren Mann beim Sterben alleine lassen musste und nicht zu ihm durfte. 

Ein Bestatter erzählte mir, daß eine Frau bei der Beerdigung nicht mit ihren beiden kleinen Kindern zum Grab des Opas gehen durfte, weil sie angewiesen wurde, nur zu zweit dort hinzugehen. Also ging sie zweimal mit je einem Kind. 

Alte in die Einsamkeit treiben, zu isolieren, ihnen die Begleitung beim Sterben zu verwehren. Immerhin gestatten unsere Bischöfe den Priestern die Spendung der Sterbesakramente. Seelsorgerische Begleitung allerdings nur nach Rücksprache mit der Heimleitung. Welch ein Hohn!

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In die Grube fahren: Abschied konkret

In die Grube fahren: Abschied konkret

In die Grube fahren: Abschied konkret

„In die Grube fahren“ und anderes: Fürs Sterben hält die Umgangssprache so viele Wörter bereit wie fürs Trinken. Die meisten dieser Redewendungen dienen dazu, den Schrecken des Sterbens durch Umschreibungen zu mildern.

Aber es gibt auch ein echtes „in die Grube fahren“ – das Versenken des Sarges oder der Urne im ausgehobenen Grab am Ende einer Bestattungsfeier. Für viele Menschen ist das der schlimmste Moment der Beerdigung und mir haben schon manche erzählt, daß sie sich gerade vor diesem Moment – wenn der Sarg oder die Urne herabgesenkt wird – am meisten fürchten.

Ich kann das verstehen. Es ist furchtbar und der schlimmste Moment auf einer Beerdigungsfeier. Aber dieser schlimme Moment ist notwendig, weil er eine elementare Bedeutung für die Trauer hat. Er macht mit aller Deutlichkeit bewusst, daß spätestens jetzt das alte Leben zu Ende ist. Aber es besagt auch: Das alte Leben ist zu Ende und das neue Leben wartet auf einen. Und in dem Sinne heißt Trauern, sich äußerlich und innerlich vom Grab entfernen und zu akzeptieren, daß das alte Leben nicht wiederkehrt.

Aber vorher muss man sich dem stellen. Denn diese „Grablegung“ ist für unsere Seelen wichtig. Denken Sie an die Menschen, die ihre Angehörigen bei Unglücken, im Krieg oder bei Naturkatastrophen verloren haben. Sie leiden nicht nur unter dem Verlust der Menschen, sondern auch darum, daß sie keinen Ort für ihre Trauer haben.

Als ich meine Ausbildung zum Notfallseelsorger machte, erzählte einer unserer Ausbilder, sein Vater sei 1942 bei Stalingrad gefallen. Nun hätte man dort die meisten Toten identifizieren und ein Gräberfeld anlegen können mit einer Mauer, auf deren einen Seite die russischen und auf deren anderen Seiten die deutschen Soldaten namentlich aufgeführt wären. Zur Einweihung dieses Denkmals fahre er nach Russland und dann sei die Trauer über den Tod des Vaters nach 70 Jahren für ihn abgeschlossen.

 Ich denke, diese kleine Geschichte sagt eine Menge über Abschied und Orte der Trauer.

Artikel von der FAZ: Nach zwei Wochen Trauer ist aber bitte Schluss!

Artikel von der FAZ: Nach zwei Wochen Trauer ist aber bitte Schluss!

Artikel von der FAZ: Nach zwei Wochen Trauer ist aber bitte Schluss!

Quelle: Frankfurter Allgemeine – faz.net  von Andrea Freund

Der Schmerz über den Tod eines geliebten Menschen hat im öffentlichen Leben kaum noch Platz. Getrauert werden soll allein im Privaten, möglichst still und bloß nicht zu lang – das erwartet mittlerweile gar die Medizin.

Manches Grablicht, das in diesen Novembertagen auf dem Friedhof lebendig flackert, tut nur so. Statt einer Flamme brennt darin eine LED-Leuchte mit „realistischem Kerzenschein“. Die alten Kerzen im roten Plastikbecher schaffen es gerade über ein Gedenkwochenende, die künstliche Konkurrenz hält mit ihrer Batterie 200 Tage durch. Mehr als ein halbes Jahr. Und damit deutlich länger, als ein Mensch trauern darf, ohne als seelisch krank zu gelten. Zumindest, wenn es nach dem DSM-5 geht, der neuen Auflage des Diagnosemanuals für psychische Störungen der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung. Anfang Dezember erscheint die deutsche Übersetzung davon, in der ebenfalls stehen wird, dass zwei Wochen nach dem Verlust eines geliebten Menschen Symptome wie Niedergeschlagenheit, Appetitverlust, Gewichtsabnahme, Antriebslosigkeit, sozialer Rückzug und Schlafstörungen als Depression diagnostiziert werden können.

Das DSM-3 von 1980 hatte für Trauer noch ein ganzes Jahr zugestanden, das DSM-4 von 2000 schon nur noch zwei Monate. Und jetzt also vierzehn Tage.

Beinahe hätte das DSM-5 gar nicht mehr zwischen natürlicher Trauer und Depression unterschieden. „In der ursprünglichen Fassung sollte jede ausgeprägtere Trauer Depression sein“, sagt Professor Wolfgang Maier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Doch da der Protest gegen diese knappe zeitliche Definition zu groß wurde, sei nachträglich ins DSM-5 eine Anmerkung hineingeschrieben und eine Fußnote zum Umgang mit Trauer angeklebt worden, sagt Maier. „Die Autoren lassen es nun offen, eine feste Grenze zu setzen zwischen Trauer und Depression.“ Das Problem dabei: Wenn der Arzt diese Ergänzungen im Einzelfall nicht mit Sorgfalt anwende, könne es zu einer Überdiagnose kommen, sagt Maier. Nicht nur aus den Vereinigten Staaten kommt Kritik, dass Symptome von Trauer dann zu schnell mit Medikamenten wie Antidepressiva behandelt werden könnten.

„Trauer ist sehr persönlich und individuell“
„Trauer ist sehr persönlich und individuell, folglich dauert sie bei jedem Menschen unterschiedlich lang“, sagt Maier, „aber erst, wenn die Verarbeitung des Verlustes, dass ein Mensch gestorben ist, nicht glückt, es zu einer langfristigen Trauerreaktion kommt und jemand seinen Alltag etwa auch nach einem Jahr nicht bewältigen kann, wird daraus eine Erkrankung.“ Zehn bis 15 Prozent aller Trauernden sind von dieser „prolongierten“ oder „pathologischen“ Trauer betroffen. Es heißt, die Verfasser des DSM-5 konnten sich aber nicht darauf verständigen, diese spezielle Form aufzunehmen. Und so kommt sie im DSM-5 gar nicht vor. Anders als im ICD, einem weiteren Diagnosemanual, dessen elfte Auflage die Weltgesundheitsorganisation 2017 herausgeben will. Darin wird vermutlich die „pathologische Trauer“ benannt sein. Das ICD wird in Deutschland vor allem von niedergelassenen Ärzten genutzt, das DSM in Kliniken.

Doch vielleicht beschreibt – allen wissenschaftlichen Diskussionen und fachlichen Definitionen zum Trotz – das DSM-5 eigentlich nur die gesellschaftliche Entwicklung. Denn wie „normal“ ist Trauer tatsächlich heute noch? Wie viel Raum geben wir dieser tiefsten aller Verlusterfahrungen noch, dem Gefühlschaos aus Traurigkeit, Wut, Angst, manchmal auch Schuld? „Nach 14 Tagen jedenfalls hat man den Verlust noch gar nicht ermessen“, sagt die Schweizer Psychoanalytikerin und Psychologieprofessorin Verena Kast, „da ist man noch wie vor den Kopf geschlagen.“

Früher fanden Menschen in dieser Situation Halt in kirchlichen Normen, in Traditionen wie schwarzer Trauerkleidung, dem Einhalten des Trauerjahrs, in Ritualen wie dem Aufbahren eines Verstorbenen in seinem Haus, so dass Zeit war, das Unabänderliche sichtbar zur Gewissheit werden zu lassen. Der Tod war Teil des Lebens – wobei wenig darüber bekannt ist, wie viel empfundene und wie viel sozial verordnete Trauer die Menschen zeigten.

Die Verunsicherung wächst
Im 21. Jahrhundert hingegen ist Schwarz eine Modefarbe, der Tod und mit ihr die Trauer sind aus der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden. Stattdessen „gibt es eine Verlagerung ins Private“, sagt die Soziologin Nina Jakoby, die an der Universität Zürich zur Soziologie der Trauer forscht. Im privaten Umfeld ist nun einerseits nahezu alles erlaubt, was den Hinterbliebenen gefällt oder der Letzte Wille des Verstorbenen war – Trauerfeiern mit oder ohne Priester und mit freien Trauerrednern, mit ernster oder fröhlicher Musik am Grab, bunter Kleidung, Bestattungen im Sarg, auf See, im Friedwald oder in der Urne.

Andererseits wächst die Verunsicherung: Was trägt „man“ denn heute auf einer Beerdigung? Was sagt man zu jemand, dessen Partner oder Kind gestorben ist oder sich vielleicht sogar das Leben genommen hat? Was gibt man Trauernden an die Hand? Und vor allem: Wie trauert man richtig? Das könnte nun ebenfalls eine private Entscheidung sein, aber: „Neue Trauernormen haben die alten abgelöst“, sagt Jakoby. Dazu gehöre, dass es falsch sei, keine Trauer zu empfinden, zu stark zu trauern, zum falschen Zeitpunkt oder am falschen Ort, etwa in der Schule oder am Arbeitsplatz. Trauer sei kein Thema für die Kantine.

„Wir leben in einer Kultur der Selbstverwirklichung und Selbstoptimierung, da passen Trauer und Tränen als Zeichen des Kontrollverlusts mit hoher Emotionalität nicht hinein“, sagt die Soziologin, „Trauer richtet sich gegen Produktivität und Funktionalität und kann als Schwäche wahrgenommen werden.“

Trauer stört im alltäglichen Miteinander
Das moderne Leben macht uns vor, alles im Griff haben zu können, wenn wir uns nur genug anstrengen: Beziehung, Karriere, Familienplanung, Gesundheit, Schönheit, Glück. Der Tod eines Menschen und die damit verbundenen Gefühle aber rühren an die eigene Vergänglichkeit. Bei demjenigen, der trauert, und bei allen, die damit in Berührung kommen.

Da verwundert es nicht, dass gut jeder Vierte nach einem Trauerfall den Druck seines Umfeldes fühlt, möglichst rasch wieder seinen geregelten Alltag aufzunehmen. Das zeigte eine Online-Befragung, die Jakoby und zwei Kolleginnen im vergangenen Jahr vor allem in Deutschland und der Schweiz durchführten. Gut die Hälfte der Befragten fühlte sich wohler, wenn sie ihre Trauer während einer Beerdigung für sich behielte, und fast die Hälfte handelte so, um keine Belastung für andere zu sein. Diesen Grund nannten auch 42 Prozent auf die Frage, warum sie nach einem Trauerfall mit anderen – Familienmitgliedern, Freunden, Partnern – nicht über ihre Gefühle sprachen.

Trauer stört im alltäglichen Miteinander. „Obwohl inzwischen eine scheinbare Offenheit im Umgang mit Trauer existiert, mit virtuellen Friedhöfen oder Trauerportalen und auf Plattformen wie Facebook, gibt es doch Schwierigkeiten, offen darüber zu kommunizieren,“ stellt Jakoby fest. Zumal mit nahestehenden Menschen in persönlichen Begegnungen. Zuspruch wird gewährt, aber nur für eine begrenzte Zeit nach einem Todesfall. „Andauernde Trauergefühle, der permanente Schmerz und die Verzweiflung sind für andere schwer auszuhalten, zumal man nur zuhören, aber nichts machen kann.“ Schnell kommt dann bei dem Zuhörer das Gefühl der Unsicherheit, verbunden mit Hilflosigkeit hoch. Eine Empfindung, die unangenehm ist. Entsprechend waren gut 40 Prozent der Befragten der Ansicht, dass Menschen, die zu lange trauern – wobei „lange“ nicht definiert ist –, eine Belastung für Familienmitglieder und Freunde sind.

Geändert hat sich auch das Ziel der Trauerbewältigung
Geändert hat sich in den vergangenen Jahren auch das Ziel der Trauerbewältigung. „Frühere Modelle gingen davon aus, dass Trauer abgearbeitet und beendet werden muss“, so Jakoby, heute setze sich immer mehr ein Modell der langfristigen Bindung mit dem Toten durch, eine Art aushaltbare Trauer, die Teil des Lebens sei: „Trauer hört nicht auf, nur der Schmerz wandelt sich und wird durch Liebe und Dankbarkeit ergänzt.“ Immer wichtiger wird es, nach dem Tod eines nahestehenden Menschen diesen nicht loszulassen und zu vergessen, sondern einerseits das Leben neu auszurichten, andererseits aber die Beziehung zu bewahren. Der Verstorbene wird etwa als innerer Ratgeber wahrgenommen, gewissermaßen eine moderne Form der früheren Zwiesprache am Grab.

Dazu trägt eine wachsende Zahl an Büchern über Spiritualität, Nahtoderlebnisse, Engel- und Jenseitskontakte bei. Religion und Spiritualität verbinden sich heute immer häufiger. Wenn die Trauer schon privat ist, kann darin jeder seinen individuellen Trost finden. „Die großen Haltepunkte bestehen nicht mehr“, hat Professor Christoph Jedan beobachtet. Der Philosophiehistoriker betreut an der Universität Groningen in den Niederlanden ein Forschungsprojekt zur Trostkultur. „Für eine lange Zeit haben Philosophen und Theologen versucht, Trauernden zu sagen, wie sich der Verlust in einen größeren Kontext einbetten lässt. Das können sich viele heute gar nicht mehr vorstellen, gleichzeitig haben wir aber kaum eigene Strategien, um mit Trauer umzugehen.“ Die Selbsthilfeliteratur fülle diese Lücke, sei aber eigentlich nichts Neues: „Das gibt es seit 2500 Jahren“, so Jedan, „im 15. Jahrhundert etwa verfassten kirchliche Autoren Memento-Mori-Literatur, die dem Sterbenden die Autorität darüber zurückgab, ob er in die Hölle oder den Himmel kommt – durch sein Verhalten in der Todesstunde.“

Die Privatisierung der Trauer hat vor einigen Jahren auch die „Pocket Cemetery App“ hervorgebracht, den „Taschenfriedhof“ fürs Smartphone. Man konnte einen Grabstein entwerfen für jemand anderes oder sich selbst. Ihn bunt färben, ein Bild einklinken, einen Spruch „eingravieren“, ein Gebet senden und Blumen, die am Rande des Displays aufblühten. Grablichter gab es nicht. Inzwischen ist diese „Trauer-to-go-App“ beerdigt worden. Irgendwie tröstlich.

Link zum original FAZ Artikel

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Was vom Leben übrigbleibt …

Was vom Leben übrigbleibt …

Was vom Leben übrigbleibt …

Vor einiger Zeit lief wieder mal ein Krimi der Reihe „München Mord“ im Fernsehen. Diese Reihe zeichnet sich durch ihren skurrilen Humor aus. In der letzten Folge wurde ein Bestatter ermordet und so spielte der Krimi im entsprechenden Milieu.

Bei ihren Ermittlungen gerieten die Kommissare in eine Trauerfeier, bei der ein Redner das Leben der Verstorbenen würdigte – so wie ich das auch sehr oft mache – indem er die besonderen Vorzüge der Verstorbenen mit Namen Angelika hervorhob: Ihre Geduld, ihr Lächeln, ihre Zuwendung und die besten Kässpatzn der Welt. Die Kommissarin gleichen Vornamens war erschüttert und meinte nachher: Kässpatzn! Wenn das alles ist, was mal von mir übrigbleibt – das ist doch fürchterlich!

Und so ist es wirklich. Aber es hat auch noch eine weitere Dimension. Denn irgendwann wird auch der letzte verstorben sein, der einmal die Kässpatzn gegessen haben wird und irgendwann der letzte, dem der letzte noch von diesen Kässpatzn erzählt haben wird. Das ist die Erinnerung an den verstorbenen Menschen aus der irdischen Welt verschwunden. Die „Kässpatzn“ sind nur ein skurriles Beispiel für die Endlichkeit des Lebens und die Endlichkeit des Weiterlebens in der irdischen Welt.

Dies ist der Hintergrund, warum eine christliche Trauerkultur radikal anders ist. Der Trost der christlichen Botschaft ist nämlich nicht die Hoffnung auf ein „Weiterleben“ im Sinne einer Wiedergeburt oder anderer obskuren Vorstellungen. Die christliche Botschaft ist die Kirche als Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen. Es ist die Botschaft, daß wir Menschen bei Gott nicht vergessen sind, auch wenn sich als Mensch niemand mehr an uns erinnern kann.

Vor diesem Hintergrund bekommen die „Kässpatzn“ dann ihren rechten Platz zugewiesen. Als dankbare Erinnerung derer, die den Menschen gekannt und geliebt haben. Eingebettet in die Hoffnung auf das Mehr, das Leben in Fülle, das uns in der Botschaft zugesichert ist. Dann sind die „Kässpatzn“ auch kein Grund, depressiv zu werden, denn dann sind sie eindeutig nicht alles, was vom Leben übrigblieb.

 

Bild von Ulrike Mai auf Pixabay
Heldentod

Heldentod

Heldentod

In der letzten Zeit habe ich Romane gelesen, in denen zum Teil das sinnlose Sterben von Soldaten in den beiden Weltkriegen vorkommt. „Heldentod“ nannte man das damals – heute würde man dies als einen klassischen Fall von „Framing“ bezeichnen.

Heute nennt niemand mehr das Sterben von Soldaten im Krieg einen „Heldentod“, zumindest nicht in unserer Kultur. Über das sinnlose Sterben von Soldaten im Krieg ist schon viel geschrieben worden im 20. Jahrhundert. Mich hat eine Kurzgeschichte von Heinrich Böll stark beeindruckt, die ich schon während der Schulzeit gelesen habe: „Wanderer kommst du nach Spa“.

Ein ganz junger Mann, den man von der Schulbank weg zu Militär eingezogen hat, wird schwer verwundet in ein Notlazarett eingeliefert. In seinem Dämmerzustand erkennt er, daß dieses Lazarett seine ehemalige Schule ist. Auf der Tafel erkennt er seine eigene Schrift wieder. Er sollte nämlich folgenden Spruch an die Tafel schreiben:

Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest
Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl“

Er hat diesen Satz jedoch nicht zu Ende schreiben können. Auf der Tafel stehen lediglich die Worte „Wanderer, kommst du nach Spa“. Dann bricht der Satz ab.

Für mich ist diese Kurzgeschichte das Sinnbild für die Sinnlosigkeit des Krieges schlechthin geworden. Vom pathetischen Zweizeiler, die den Heldentod der Spartaner 480 v.Chr. bei der Verteidigung der Thermopylen rühmt – die Spartaner hatten sich bis zum letzten Mann aufgeopfert – bleibt ein banaler, sinnfreier Halbsatz übrig.

Für mich ist die Sinnlosigkeit dieses abgebrochenen Satzes die bittere Wahrheit hinter dem „Heldentod“: Das sinnlose Ende eines viel zu kurzen Lebens. Denn nichts anderes ist viel zu oft das Sterben junger Menschen im Krieg gewesen. Und das „Feld der Ehre“ ist ein zum Lazarett umgebauter Zeichensaal einer Schule.