Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?
Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?
In Zeiten einer „Ökumene der Ahnungslosigkeit“ nimmt das Wissen um die Unterschiede der evangelischen und katholischen Konfession immer mehr ab. Neben Papst und Zölibat fallen Unterschiede fast nur auf, wenn es um Beerdigungen geht.
„Die Evangelischen machen das viel persönlicher!“ musste ich mir schon oft anhören. Stimmt das eigentlich und wenn ja, warum stimmt es? Zunächst ist festzuhalten, daß es sowohl sehr unpersönliche evangelische als auch sehr persönliche katholische Beerdigungen gibt. In der Regel liegt das am Pfarrer oder dem, der die Beerdigung abhält.
Aber von Geschichte und Selbstverständnis her unterscheiden sich eine evangelische und eine katholische Beerdigung schon. Die Katholiken feiern in der Beerdigung die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten in der Kirche. Sie feiern, daß kein Verstorbener bei Gott je vergessen sein wird, auch wenn sich kein Mensch auf Erden mehr an ihn oder sie erinnern kann. Als Mensch mit Namen und Anschrift spielt der Verstorbene auf der Beerdigung keine Rolle. Sollte das Leben des Verstorbenen gewürdigt werden (Nachruf) geschieht das separat, bevor die eigentliche Feier beginnt.
Bei den Evangelischen ist das etwas anders. Natürlich gilt auch dort die Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen bei Gott, aber die evangelischen Kirchen entstanden in der Neuzeit, ab dem 16. Jahrhundert. Und sie brauchten immer einen „Schutzherrn“, der ihnen die freie Ausübung ihrer Religion ermöglichte: Könige, Fürsten und andere Landesherren.
Und diese Herren erwarben sich bei ihren Pfarrern ein Anrecht auf eine würdige „Leichenrede“, wenn sie begraben wurden. Nun tauchte der Verstorbene also erstmals als Individuum – sozusagen mit Namen und Anschrift – auf. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurden diese „Leichenreden“ nur wirklich bedeutenden und wichtigen Personen zuteil. Aber in der Gegenwart wurde die Leichenrede auf der Beerdigung auf alle Christen ausgedehnt.
So besuchte der evangelische Pfarrer die Familien und – sollte er die Verstorbenen nicht kennen – ließ sich aus ihren Leben erzählen – was dann einging in seine Predigt. Katholische Pfarrer machten solche Besuche früher nicht. Zugespitzt formuliert: Sie bekamen vor der Beerdigung einen Zettel mit dem Namen zugesteckt und los ging’s!
Heute besuchen auch katholische Geistliche die Familien und versuchen, etwas Persönliches in ihre Predigt einfließen zu lassen. Ich begrüße diese Entwicklung, denn schließlich begraben wir ja stets einen Menschen, der von Gott nach Seinem Bilde geschaffen wurde (Gen 1,27). Und auch daran sollte auf einer Beerdigung erinnert werden.
Bild von carolynabooth auf Pixabay