Suizid
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie Sie sich umbringen würden, wenn Sie sich umbringen wollen? Sicher nicht. Ich denke, daß jemand, der nicht den absoluten Willen hat, mit seiner Phantasie schnell am Ende ist uns sicher eher gruselt vor den bekannten Formen der Selbsttötung – Gift, Revolver, Pulsader aufschneiden, mit dem Auto vor den Baum fahren, sich vor den Zug werfen. Furchtbar das alles!
Wenn Sie so reagieren (so wie ich übrigens auch), ist das ein klassisches Indiz dafür, daß Sie sich gar nicht umbringen wollen – und das unterscheidet uns von Menschen, die Suizid begehen, denn diese wollen es und sie wollen es unbedingt.
Angehörige stehen oft fassungslos vor der Situation und fragen sich: Hätte ich es bemerken müssen? Hätte ich es verhindern können? Aus meiner Praxis kann ich nur sagen: nein. Schuldgefühle sind völlig unangebracht. Denn in der Regel ist nichts zu bemerken und schon gar nichts zu verhindern.
Ein Mensch, der Suizid begeht, ist psychisch unheilbar krank. Meist sind es schwere Depressionen, die einem Suizid vorausgehen und wie beim Krebs das finale Organversagen die Todesursache ist, ist es bei einer wirklichen Depression der Suizid.
Zudem sind Suizidale auf dem Weg zur Selbsttötung Meister der Verstellung und Täuschung. Weil sie sich unbedingt umbringen wollen, wollen sie auch unbedingt verhindern, daß jemand anderes davon abhält. In meiner Berufspraxis hatte ich schon die unglaublichsten Fälle:
Da ist der Mann, der mit seinem Bruder am Abend ein paar gemeinsame Biere trinkt und sich mit diesem zum Einkaufen am nächsten Morgen verabredet – der Bruder findet ihn am kommenden Morgen mit durchschnittenen Pulsadern in der Wanne. Da ist die Frau, die zum Friseur geht, sich chic frisieren lässt, mit der Friseurin herumscherzt und sich dann mit ausgebreiteten Armen auf die Schienen stellt, um sich vom Zug überfahren zu lassen. Da wird einer als nicht gefährdet aus der Psychiatrie entlassen und bringt sich eine Woche später um.
Schwere Depressionen machen die Angehörigen oft hilf- und ratlos. Man kann die Gefahr erahnen, aber nicht erkennen und nicht verhindern. Einen Menschen dann durch Suizid zu verlieren, ist furchtbar und auch oft traumatisierend. Die Angehörigen brauchen dringend Hilfe. Die „Erste Hilfe“ dabei ist jedoch, ihnen ihre Schuldgefühle zu nehmen.