Todesangst
Der Tod ist aus unserer Gesellschaft weitestgehend verschwunden. Man stirbt nicht mehr zu Hause, sondern im Krankenhaus oder im Hospiz und Aufbahrungen finden meist beim Bestatter statt, wenn überhaupt.
Nicht verschwunden ist die Angst vor dem Tod. Das merkt man in den letzten Wochen seit dem Ausbruch der „Corona-Krise“ besonders deutlich. Für mich wird es besonders durch das Tragen der Schutzmasken symbolisiert. Für die einen ist es eine mehr oder minder sinnvolle Maßnahme, die man befolgen muss. Für andere aber symbolisiert sie die reale Angst, sich anzustecken, krank zu werden und letztlich zu sterben.
Eine vielfach hedonistische und materialistische Wohlstandsgesellschaft wird plötzlich mit dem Tod, d.h. der eigenen Endlichkeit konfrontiert. Für viele Menschen ist das ein Schock und die Situation wird real als Bedrohung wahrgenommen. Ich habe viel mit solchen ängstlichen Menschen kommuniziert. Ich kann ihre Angst verstehen, aber ich kann das Ausmaß ihrer Angst nicht nachvollziehen. Ich stecke halt nicht in ihrer Haut.
Vielleicht liegt es auch daran, daß ich seit Jahren Tag für Tag mit Tod und Sterben konfrontiert werde. Der Tod ist mein alltäglicher Begleiter. Und ich weiß auch, daß der Tod jedermanns Begleiter ist. Und daß man sich nicht „schützen“ kann. Ich hatte sie schon alle: Alte, Junge, Kranke, Gesunde, Kerngesunde, Sportliche, Schlanke, Dicke …
Trotz aller moderner Medizin, die den meisten von uns das Leben verlängert, tritt der Tod immer noch als der „Sensenmann“ in unser Leben, so wie er im Mittelalter geprägt wurde. Wollen wir lebenswert leben, sollten wir das akzeptieren. Denn sterben werden wir alle – mit oder ohne Todesangst.