Heldentod

Heldentod

Heldentod

In der letzten Zeit habe ich Romane gelesen, in denen zum Teil das sinnlose Sterben von Soldaten in den beiden Weltkriegen vorkommt. „Heldentod“ nannte man das damals – heute würde man dies als einen klassischen Fall von „Framing“ bezeichnen.

Heute nennt niemand mehr das Sterben von Soldaten im Krieg einen „Heldentod“, zumindest nicht in unserer Kultur. Über das sinnlose Sterben von Soldaten im Krieg ist schon viel geschrieben worden im 20. Jahrhundert. Mich hat eine Kurzgeschichte von Heinrich Böll stark beeindruckt, die ich schon während der Schulzeit gelesen habe: „Wanderer kommst du nach Spa“.

Ein ganz junger Mann, den man von der Schulbank weg zu Militär eingezogen hat, wird schwer verwundet in ein Notlazarett eingeliefert. In seinem Dämmerzustand erkennt er, daß dieses Lazarett seine ehemalige Schule ist. Auf der Tafel erkennt er seine eigene Schrift wieder. Er sollte nämlich folgenden Spruch an die Tafel schreiben:

Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest
Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl“

Er hat diesen Satz jedoch nicht zu Ende schreiben können. Auf der Tafel stehen lediglich die Worte „Wanderer, kommst du nach Spa“. Dann bricht der Satz ab.

Für mich ist diese Kurzgeschichte das Sinnbild für die Sinnlosigkeit des Krieges schlechthin geworden. Vom pathetischen Zweizeiler, die den Heldentod der Spartaner 480 v.Chr. bei der Verteidigung der Thermopylen rühmt – die Spartaner hatten sich bis zum letzten Mann aufgeopfert – bleibt ein banaler, sinnfreier Halbsatz übrig.

Für mich ist die Sinnlosigkeit dieses abgebrochenen Satzes die bittere Wahrheit hinter dem „Heldentod“: Das sinnlose Ende eines viel zu kurzen Lebens. Denn nichts anderes ist viel zu oft das Sterben junger Menschen im Krieg gewesen. Und das „Feld der Ehre“ ist ein zum Lazarett umgebauter Zeichensaal einer Schule.

Feuerbestattung

Feuerbestattung

Feuerbestattung

Die Familie meines Onkels Heinz waren Sozialdemokrat und aus der Kirche ausgetreten bzw. erst gar nicht getauft. Als der Vater von Onkel Heinz 1966 starb, ließ er „sich verbrennen“ und wurde auf unserem städtischen Friedhof in einem Urnengrab beigesetzt. Für unsere katholische Familie war das unerhört.

Denn die katholische Kirche hatte noch 1886 durch Papst Leo XIII. offiziell die Feuerbestattung verboten. Sie nannte die Feuerbestattung eine „barbarische Sitte“. Das Dekret legte fest, dass für Katholiken, die letztwillig ihre Verbrennung verfügt hatten, keine kirchliche Begräbnisfeier gehalten und sie nicht auf dem Kirchhof bestattet werden konnten. Mit dem CIC von 1917 wurde dies ins Kirchenrecht aufgenommen. Es wurde festgehalten: „Einem Gläubigen, der die Verbrennung seines Leichnams anordnet, wird das kirchliche Begräbnis zur Strafe entzogen.“ Erst 1963 erlaubte das Heilige Offizium die Feuerbestattung für Katholiken.

Die Vorbehalte meiner Familie hatten also gute Tradition. Tatsächlich entstand die Feuerbestattung aus antireligiöser und antikirchlicher Tradition. Die sich ausbreitenden areligiösen Verbände wie die Freidenker propagierten die Feuerbestattung gezielt, auch in bewusster Abgrenzung zur christlichen Bestattungskultur, da das Konzept der Auferstehung abgelehnt wurde. Die Arbeiterverbände und die aufkeimende Sozialdemokratie sahen eine kostengünstigere Bestattungsart. Die günstigeren Kosten sind auch heute der Grund, warum inzwischen mehr Feuer- als Erdbestattungen stattfinden.

In den orthodoxen Kirchen wird die Feuerbestattung weiterhin massiv abgelehnt. In Griechenland gibt es z.B. bis heute kein einziges Krematorium, so daß viele Griechen zur Kremation nach Bulgarien gehen; allein im Jahre 2016 wurden 4.000 griechische Bürger dort eingeäschert. Denn trotz des Widerstandes der Kirchen nimmt auch dort die Zahl der Feuerbestattungen zu.

Die beiden anderen monotheistischen Religionen, das Judentum und der Islam verbieten die Feuerbestattung bzw. das Verbrennen des menschlichen Körpers strikt verboten. Hingegen ist in vielen Religionen Asiens (Buddhismus, Hinduismus) die Verbrennung die übliche Bestattungsart. Dort finden die Verbrennungen aber oft unter freiem Himmel statt – und das ist wiederum in Deutschland strikt verboten.

Bild von Pedro Navarro auf Pixabay

Suizid

Suizid

Suizid

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie Sie sich umbringen würden, wenn Sie sich umbringen wollen? Sicher nicht. Ich denke, daß jemand, der nicht den absoluten Willen hat, mit seiner Phantasie schnell am Ende ist uns sicher eher gruselt vor den bekannten Formen der Selbsttötung – Gift, Revolver, Pulsader aufschneiden, mit dem Auto vor den Baum fahren, sich vor den Zug werfen. Furchtbar das alles!

Wenn Sie so reagieren (so wie ich übrigens auch), ist das ein klassisches Indiz dafür, daß Sie sich gar nicht umbringen wollen – und das unterscheidet uns von Menschen, die Suizid begehen, denn diese wollen es und sie wollen es unbedingt.

Angehörige stehen oft fassungslos vor der Situation und fragen sich: Hätte ich es bemerken müssen? Hätte ich es verhindern können? Aus meiner Praxis kann ich nur sagen: nein. Schuldgefühle sind völlig unangebracht. Denn in der Regel ist nichts zu bemerken und schon gar nichts zu verhindern.

Ein Mensch, der Suizid begeht, ist psychisch unheilbar krank. Meist sind es schwere Depressionen, die einem Suizid vorausgehen und wie beim Krebs das finale Organversagen die Todesursache ist, ist es bei einer wirklichen Depression der Suizid.

Zudem sind Suizidale auf dem Weg zur Selbsttötung Meister der Verstellung und Täuschung. Weil sie sich unbedingt umbringen wollen, wollen sie auch unbedingt verhindern, daß jemand anderes davon abhält. In meiner Berufspraxis hatte ich schon die unglaublichsten Fälle:

Da ist der Mann, der mit seinem Bruder am Abend ein paar gemeinsame Biere trinkt und sich mit diesem zum Einkaufen am nächsten Morgen verabredet – der Bruder findet ihn am kommenden Morgen mit durchschnittenen Pulsadern in der Wanne. Da ist die Frau, die zum Friseur geht, sich chic frisieren lässt, mit der Friseurin herumscherzt und sich dann mit ausgebreiteten Armen auf die Schienen stellt, um sich vom Zug überfahren zu lassen. Da wird einer als nicht gefährdet aus der Psychiatrie entlassen und bringt sich eine Woche später um.

Schwere Depressionen machen die Angehörigen oft hilf- und ratlos. Man kann die Gefahr erahnen, aber nicht erkennen und nicht verhindern. Einen Menschen dann durch Suizid zu verlieren, ist furchtbar und auch oft traumatisierend. Die Angehörigen brauchen dringend Hilfe. Die „Erste Hilfe“ dabei ist jedoch, ihnen ihre Schuldgefühle zu nehmen.

 

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Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?

Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?

Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?

Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?

In Zeiten einer „Ökumene der Ahnungslosigkeit“ nimmt das Wissen um die Unterschiede der evangelischen und katholischen Konfession immer mehr ab. Neben Papst und Zölibat fallen Unterschiede fast nur auf, wenn es um Beerdigungen geht.

 „Die Evangelischen machen das viel persönlicher!“ musste ich mir schon oft anhören. Stimmt das eigentlich und wenn ja, warum stimmt es? Zunächst ist festzuhalten, daß es sowohl sehr unpersönliche evangelische als auch sehr persönliche katholische Beerdigungen gibt. In der Regel liegt das am Pfarrer oder dem, der die Beerdigung abhält.

Aber von Geschichte und Selbstverständnis her unterscheiden sich eine evangelische und eine katholische Beerdigung schon. Die Katholiken feiern in der Beerdigung die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten in der Kirche. Sie feiern, daß kein Verstorbener bei Gott je vergessen sein wird, auch wenn sich kein Mensch auf Erden mehr an ihn oder sie erinnern kann. Als Mensch mit Namen und Anschrift spielt der Verstorbene auf der Beerdigung keine Rolle. Sollte das Leben des Verstorbenen gewürdigt werden (Nachruf) geschieht das separat, bevor die eigentliche Feier beginnt.

Bei den Evangelischen ist das etwas anders. Natürlich gilt auch dort die Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen bei Gott, aber die evangelischen Kirchen entstanden in der Neuzeit, ab dem 16. Jahrhundert. Und sie brauchten immer einen „Schutzherrn“, der ihnen die freie Ausübung ihrer Religion ermöglichte: Könige, Fürsten und andere Landesherren.

Und diese Herren erwarben sich bei ihren Pfarrern ein Anrecht auf eine würdige „Leichenrede“, wenn sie begraben wurden. Nun tauchte der Verstorbene also erstmals als Individuum – sozusagen mit Namen und Anschrift – auf. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurden diese „Leichenreden“ nur wirklich bedeutenden und wichtigen Personen zuteil. Aber in der Gegenwart wurde die Leichenrede auf der Beerdigung auf alle Christen ausgedehnt.

So besuchte der evangelische Pfarrer die Familien und – sollte er die Verstorbenen nicht kennen – ließ sich aus ihren Leben erzählen – was dann einging in seine Predigt. Katholische Pfarrer machten solche Besuche früher nicht. Zugespitzt formuliert: Sie bekamen vor der Beerdigung einen Zettel mit dem Namen zugesteckt und los ging’s!

Heute besuchen auch katholische Geistliche die Familien und versuchen, etwas Persönliches in ihre Predigt einfließen zu lassen. Ich begrüße diese Entwicklung, denn schließlich begraben wir ja stets einen Menschen, der von Gott nach Seinem Bilde geschaffen wurde (Gen 1,27). Und auch daran sollte auf einer Beerdigung erinnert werden.

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Christliche Begräbnisse

Christliche Begräbnisse

Christliche Begräbnisse

Ich verdiene mein Geld zwar als freier Redner, bin aber promovierter Theologe und gläubiger Christ. Wenn ich zu meinen „Kunden“ komme, wissen die, daß ich nicht von der Kirche bin, aber manchmal biete ich ihnen an, auch Elemente der christlichen Bestattungsriten in die Feier zu integrieren. Meist sind mir die Herrschaften dankbar dafür, nur selten wird am Ende kein Vaterunser gebetet.

Manchmal bekomme ich die erstaunte Frage gestellt: Ja, dürfen wir das denn? Und ich frage dann zurück: Na, wer soll uns das Beten verbieten wollen? Und in der Tat ist das alles kein Problem, ein christliches oder christlich geprägtes Begräbnis zu machen.

Ein Einwand ist stets, daß die bzw. der Verstorbene „aus der Kirche ausgetreten“ sei. Das mag in einem Land, in dem der Staat neben Rundfunkgebühren auch noch die Kirchensteuer einzieht, verwaltungstechnisch ein Problem sein. Theologisch ist es das nicht. Mitglied der Kirche Christi wird man durch die Taufe und nicht durch das Abführen von Steuern. Und die Taufe ist ein Sakrament und als solches ein in Freiheit geschlossener Bund zwischen dem Menschen und Gott. Dieser Bund verleiht ein unauslöschliches Siegel, kann also niemals aufgehoben werden. Das bedeutet, jeder Getaufte ist Mitglied der Kirche und hat Anspruch auf ein christliches Begräbnis, wenn er es wünscht.

Einen beamteten Pastor oder andere Kirchenangestellte braucht man für ein christliches Begräbnis ebenfalls nicht. Das christliche Begräbnis ist ursprünglich ein „Liebesdienst“ der Gemeinde: Die christliche Gemeinde erweist so ihrem Verstorbenen den letzten Liebesdienst und verkündigt angesichts des Todes die Herrschaft des Auferstandenen über Lebende und Tote. Das christliche Begräbnis ist zudem kein Sakrament, das nur von einem Priester oder einem Diakon gespendet werden kann. 

Im Laufe der Jahre habe ich die Erfahrung machen dürfen, daß viele Menschen – auch wenn sie nicht im engeren Sinne der Kirche angehören – sehr dankbar sind für den Trost und den Zuspruch, den sie aus der christlichen Botschaft erhalten. Dazu kommt unsere 2000 Jahre währende Erfahrung, unsere Verstorbenen zu begraben. Nach 2000 Jahren Menschheitsgeschichte weiß man, was tröstet und wiederaufrichtet: Denn Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, die Seligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, damit, ob wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben. Darum tröstet euch untereinander und einer erbaue den andern, wie ihr auch tut“ (1 Thess 5,9-11).

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