Feuerbestattung

Feuerbestattung

Feuerbestattung

Die Familie meines Onkels Heinz waren Sozialdemokrat und aus der Kirche ausgetreten bzw. erst gar nicht getauft. Als der Vater von Onkel Heinz 1966 starb, ließ er „sich verbrennen“ und wurde auf unserem städtischen Friedhof in einem Urnengrab beigesetzt. Für unsere katholische Familie war das unerhört.

Denn die katholische Kirche hatte noch 1886 durch Papst Leo XIII. offiziell die Feuerbestattung verboten. Sie nannte die Feuerbestattung eine „barbarische Sitte“. Das Dekret legte fest, dass für Katholiken, die letztwillig ihre Verbrennung verfügt hatten, keine kirchliche Begräbnisfeier gehalten und sie nicht auf dem Kirchhof bestattet werden konnten. Mit dem CIC von 1917 wurde dies ins Kirchenrecht aufgenommen. Es wurde festgehalten: „Einem Gläubigen, der die Verbrennung seines Leichnams anordnet, wird das kirchliche Begräbnis zur Strafe entzogen.“ Erst 1963 erlaubte das Heilige Offizium die Feuerbestattung für Katholiken.

Die Vorbehalte meiner Familie hatten also gute Tradition. Tatsächlich entstand die Feuerbestattung aus antireligiöser und antikirchlicher Tradition. Die sich ausbreitenden areligiösen Verbände wie die Freidenker propagierten die Feuerbestattung gezielt, auch in bewusster Abgrenzung zur christlichen Bestattungskultur, da das Konzept der Auferstehung abgelehnt wurde. Die Arbeiterverbände und die aufkeimende Sozialdemokratie sahen eine kostengünstigere Bestattungsart. Die günstigeren Kosten sind auch heute der Grund, warum inzwischen mehr Feuer- als Erdbestattungen stattfinden.

In den orthodoxen Kirchen wird die Feuerbestattung weiterhin massiv abgelehnt. In Griechenland gibt es z.B. bis heute kein einziges Krematorium, so daß viele Griechen zur Kremation nach Bulgarien gehen; allein im Jahre 2016 wurden 4.000 griechische Bürger dort eingeäschert. Denn trotz des Widerstandes der Kirchen nimmt auch dort die Zahl der Feuerbestattungen zu.

Die beiden anderen monotheistischen Religionen, das Judentum und der Islam verbieten die Feuerbestattung bzw. das Verbrennen des menschlichen Körpers strikt verboten. Hingegen ist in vielen Religionen Asiens (Buddhismus, Hinduismus) die Verbrennung die übliche Bestattungsart. Dort finden die Verbrennungen aber oft unter freiem Himmel statt – und das ist wiederum in Deutschland strikt verboten.

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Suizid

Suizid

Suizid

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie Sie sich umbringen würden, wenn Sie sich umbringen wollen? Sicher nicht. Ich denke, daß jemand, der nicht den absoluten Willen hat, mit seiner Phantasie schnell am Ende ist uns sicher eher gruselt vor den bekannten Formen der Selbsttötung – Gift, Revolver, Pulsader aufschneiden, mit dem Auto vor den Baum fahren, sich vor den Zug werfen. Furchtbar das alles!

Wenn Sie so reagieren (so wie ich übrigens auch), ist das ein klassisches Indiz dafür, daß Sie sich gar nicht umbringen wollen – und das unterscheidet uns von Menschen, die Suizid begehen, denn diese wollen es und sie wollen es unbedingt.

Angehörige stehen oft fassungslos vor der Situation und fragen sich: Hätte ich es bemerken müssen? Hätte ich es verhindern können? Aus meiner Praxis kann ich nur sagen: nein. Schuldgefühle sind völlig unangebracht. Denn in der Regel ist nichts zu bemerken und schon gar nichts zu verhindern.

Ein Mensch, der Suizid begeht, ist psychisch unheilbar krank. Meist sind es schwere Depressionen, die einem Suizid vorausgehen und wie beim Krebs das finale Organversagen die Todesursache ist, ist es bei einer wirklichen Depression der Suizid.

Zudem sind Suizidale auf dem Weg zur Selbsttötung Meister der Verstellung und Täuschung. Weil sie sich unbedingt umbringen wollen, wollen sie auch unbedingt verhindern, daß jemand anderes davon abhält. In meiner Berufspraxis hatte ich schon die unglaublichsten Fälle:

Da ist der Mann, der mit seinem Bruder am Abend ein paar gemeinsame Biere trinkt und sich mit diesem zum Einkaufen am nächsten Morgen verabredet – der Bruder findet ihn am kommenden Morgen mit durchschnittenen Pulsadern in der Wanne. Da ist die Frau, die zum Friseur geht, sich chic frisieren lässt, mit der Friseurin herumscherzt und sich dann mit ausgebreiteten Armen auf die Schienen stellt, um sich vom Zug überfahren zu lassen. Da wird einer als nicht gefährdet aus der Psychiatrie entlassen und bringt sich eine Woche später um.

Schwere Depressionen machen die Angehörigen oft hilf- und ratlos. Man kann die Gefahr erahnen, aber nicht erkennen und nicht verhindern. Einen Menschen dann durch Suizid zu verlieren, ist furchtbar und auch oft traumatisierend. Die Angehörigen brauchen dringend Hilfe. Die „Erste Hilfe“ dabei ist jedoch, ihnen ihre Schuldgefühle zu nehmen.

 

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Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?

Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?

Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?

Evangelisch beerdigen? Katholisch beerdigen?

In Zeiten einer „Ökumene der Ahnungslosigkeit“ nimmt das Wissen um die Unterschiede der evangelischen und katholischen Konfession immer mehr ab. Neben Papst und Zölibat fallen Unterschiede fast nur auf, wenn es um Beerdigungen geht.

 „Die Evangelischen machen das viel persönlicher!“ musste ich mir schon oft anhören. Stimmt das eigentlich und wenn ja, warum stimmt es? Zunächst ist festzuhalten, daß es sowohl sehr unpersönliche evangelische als auch sehr persönliche katholische Beerdigungen gibt. In der Regel liegt das am Pfarrer oder dem, der die Beerdigung abhält.

Aber von Geschichte und Selbstverständnis her unterscheiden sich eine evangelische und eine katholische Beerdigung schon. Die Katholiken feiern in der Beerdigung die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten in der Kirche. Sie feiern, daß kein Verstorbener bei Gott je vergessen sein wird, auch wenn sich kein Mensch auf Erden mehr an ihn oder sie erinnern kann. Als Mensch mit Namen und Anschrift spielt der Verstorbene auf der Beerdigung keine Rolle. Sollte das Leben des Verstorbenen gewürdigt werden (Nachruf) geschieht das separat, bevor die eigentliche Feier beginnt.

Bei den Evangelischen ist das etwas anders. Natürlich gilt auch dort die Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen bei Gott, aber die evangelischen Kirchen entstanden in der Neuzeit, ab dem 16. Jahrhundert. Und sie brauchten immer einen „Schutzherrn“, der ihnen die freie Ausübung ihrer Religion ermöglichte: Könige, Fürsten und andere Landesherren.

Und diese Herren erwarben sich bei ihren Pfarrern ein Anrecht auf eine würdige „Leichenrede“, wenn sie begraben wurden. Nun tauchte der Verstorbene also erstmals als Individuum – sozusagen mit Namen und Anschrift – auf. Bis in das 19. Jahrhundert hinein wurden diese „Leichenreden“ nur wirklich bedeutenden und wichtigen Personen zuteil. Aber in der Gegenwart wurde die Leichenrede auf der Beerdigung auf alle Christen ausgedehnt.

So besuchte der evangelische Pfarrer die Familien und – sollte er die Verstorbenen nicht kennen – ließ sich aus ihren Leben erzählen – was dann einging in seine Predigt. Katholische Pfarrer machten solche Besuche früher nicht. Zugespitzt formuliert: Sie bekamen vor der Beerdigung einen Zettel mit dem Namen zugesteckt und los ging’s!

Heute besuchen auch katholische Geistliche die Familien und versuchen, etwas Persönliches in ihre Predigt einfließen zu lassen. Ich begrüße diese Entwicklung, denn schließlich begraben wir ja stets einen Menschen, der von Gott nach Seinem Bilde geschaffen wurde (Gen 1,27). Und auch daran sollte auf einer Beerdigung erinnert werden.

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Christliche Begräbnisse

Christliche Begräbnisse

Christliche Begräbnisse

Ich verdiene mein Geld zwar als freier Redner, bin aber promovierter Theologe und gläubiger Christ. Wenn ich zu meinen „Kunden“ komme, wissen die, daß ich nicht von der Kirche bin, aber manchmal biete ich ihnen an, auch Elemente der christlichen Bestattungsriten in die Feier zu integrieren. Meist sind mir die Herrschaften dankbar dafür, nur selten wird am Ende kein Vaterunser gebetet.

Manchmal bekomme ich die erstaunte Frage gestellt: Ja, dürfen wir das denn? Und ich frage dann zurück: Na, wer soll uns das Beten verbieten wollen? Und in der Tat ist das alles kein Problem, ein christliches oder christlich geprägtes Begräbnis zu machen.

Ein Einwand ist stets, daß die bzw. der Verstorbene „aus der Kirche ausgetreten“ sei. Das mag in einem Land, in dem der Staat neben Rundfunkgebühren auch noch die Kirchensteuer einzieht, verwaltungstechnisch ein Problem sein. Theologisch ist es das nicht. Mitglied der Kirche Christi wird man durch die Taufe und nicht durch das Abführen von Steuern. Und die Taufe ist ein Sakrament und als solches ein in Freiheit geschlossener Bund zwischen dem Menschen und Gott. Dieser Bund verleiht ein unauslöschliches Siegel, kann also niemals aufgehoben werden. Das bedeutet, jeder Getaufte ist Mitglied der Kirche und hat Anspruch auf ein christliches Begräbnis, wenn er es wünscht.

Einen beamteten Pastor oder andere Kirchenangestellte braucht man für ein christliches Begräbnis ebenfalls nicht. Das christliche Begräbnis ist ursprünglich ein „Liebesdienst“ der Gemeinde: Die christliche Gemeinde erweist so ihrem Verstorbenen den letzten Liebesdienst und verkündigt angesichts des Todes die Herrschaft des Auferstandenen über Lebende und Tote. Das christliche Begräbnis ist zudem kein Sakrament, das nur von einem Priester oder einem Diakon gespendet werden kann. 

Im Laufe der Jahre habe ich die Erfahrung machen dürfen, daß viele Menschen – auch wenn sie nicht im engeren Sinne der Kirche angehören – sehr dankbar sind für den Trost und den Zuspruch, den sie aus der christlichen Botschaft erhalten. Dazu kommt unsere 2000 Jahre währende Erfahrung, unsere Verstorbenen zu begraben. Nach 2000 Jahren Menschheitsgeschichte weiß man, was tröstet und wiederaufrichtet: Denn Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, die Seligkeit zu besitzen durch unsern Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, damit, ob wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben. Darum tröstet euch untereinander und einer erbaue den andern, wie ihr auch tut“ (1 Thess 5,9-11).

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Erinnern oder besser Vergessen?

Erinnern oder besser Vergessen?

Erinnern oder besser Vergessen?

Kennen Sie virtuelle Friedhöfe? Jetzt, wo alle Welt sich digitalisiert, entstehen auch sogenannte „Internetfriedhöfe“. Ich will den partiellen Nutzen solcher Formen der Erinnerung nicht bestreiten, aber tief innen drin habe ich massiv Bauchschmerzen mit solcher Art Erinnerungs- und Trauerkultur.

„Das Netz vergisst nichts“ heißt es nicht zu Unrecht. Einer dieser virtuellen Friedhöfe trägt sogar den Namen „Stayalive“ und wird vom Betreiber als „Portal für die digitale Unsterblichkeit“ beworben. Und hier wird es m.E. problematisch. 

Ich will keinem Betreiber seine ehrenwerten Motive für solche Ideen absprechen, nichtsdestotrotz halte ich sie aufgrund meiner Erfahrung in der Trauerarbeit für falsch und wenig hilfreich. Tröstet uns die „digitale Unsterblichkeit“ denn wirklich? Was passiert mit einem Menschen, der tagtäglich mehrmals mit seinem Verstorbenen online kommuniziert? Wie würden wir einen Menschen beurteilen, der tagtäglich mehrere Stunden auf dem Friedhof am Grab verbringt? 

So etwas kann auch zu einem steten Offenhalten einer seelischen Wunde führen und das für den Menschen schädlich. Jeder, der schon einmal einen geliebten Menschen verloren hat, weiß das. Echte Trauer bedeutet ja denn auch beides: Ein Rückblick auf das Vergangene und einen Ausblick auf das Kommende.  Wir müssen uns bewusst vom Vergangenen abwenden und bewusst dem Kommenden zuwenden. Das ist oft leichter gesagt als getan. Es ändert aber nichts daran, es zu tun. Aber wenn wir dann merken, daß uns im Laufe der Zeit das Loslassen gelungen ist, empfinden wir eine unglaubliche Befreiung und Erleichterung. 

Aus Sicht der Trauerbegleitung ist ein Gedenken – auch im Internet – durchaus sinnvoll und heilsam, wenn es mit zeitlichem Abstand entspannter wird. Das hat nichts mit Abkehr vom liebevollen Gedenken zu tun. Es sind natürliche und heilsame Prozesse, die dadurch auftreten. Wunden verheilen, auch wenn sie vernarben und sichtbar bleiben. Aber es dient niemals der Linderung oder Gesundung, Wunden künstlich offen zu halten oder sich mit Erinnerungen zu quälen. Denn Erinnern soll trösten und nicht weh tun.

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Über Tote nur Gutes

Über Tote nur Gutes

Über Tote nur Gutes

„De mortui nil nise bene“ sagten die Römer. Man möge über Tote nur Gutes reden. Grundsätzlich ist das schon richtig, aber was passiert, wenn es schwierig oder gar unmöglich ist? Wenn der Verstorbene ein Widerling war? Den keiner auch nur ansatzweise leiden konnte und dem eigentlich keiner wirklich nachtrauert? 

Bei den Hunderten von Ansprachen, die ich auf Beerdigungen gehalten hatte, konnte ich fast immer irgendetwas Gutes über die Verstorbenen sagen. Gott sei Dank. Aber es gab auch Fälle, da ging das beim besten Willen nicht. 

Solche Balanceakte gehören zu den schwierigsten Momenten in der Arbeit eines Redners. Man kann ja nicht sagen: Wir begraben ein altes Arschloch, und fast alle sind froh, daß er tot ist. Ich halte nichts davon, Menschen „ins Grab zu spucken“. Für einen Beerdigungsredner gehört sich einfach nicht. Bei Familienmitgliedern, die teilweise Jahrzehnte unter diesem Menschen leiden mussten, ist das etwas anderes. Das und anderes müssen sie mit sich und ihrem Gewissen aufmachen. 

Bei einer Feier ist das anders. Natürlich ist es auch falsch, die Verstorbenen „schönzulügen“. Wir alle kennen das, wenn wir auf einer Beerdigung sind und der Pfarrer oder der Redner irgendwas erzählt und man sich fragt: Von wem redet der hier?  Das ist ja das Problem solcher Beerdigungen, daß alle wissen, daß da ein Arschloch oder Kotzbrocken beerdigt wird, egal, was über ihn gesagt wird. Ich halte mich in solchen Situationen stark an allgemeine tröstliche Dinge zu Tod und Sterben. Bei religiösen Feiern kann man immer Bibelstellen finden, denn gerade Gott ist ja den Sündern gegenüber gnädig und barmherzig. Und wie sagt Jesus zu recht: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt 7,1). 

Meistens aber kann man Gutes sagen über die Menschen. Ich erfahre das immer in den seelsorglichen Gesprächen, in denen wir die Feier vorbereiten. Meist spüre ich recht schnell, wenn irgendwo ein Problem oder ein Schicksal lauert und die Menschen erzählen es mir auch bald darauf. Ich ermuntere sie immer, unter dem Mantel der absoluten Verschwiegenheit offen mit mir über alles zu reden. Denn es findet sich immer irgendetwas Gutes; es ist nie alles dunkel oder alles hell. Und dann kann man auch über dieses Gute mit gutem Gewissen auf der Beerdigung sprechen. Und niemand hat das Gefühl, belogen zu werden.

Bildquelle: Joe K. [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons