Allerseelen

Allerseelen

Allerseelen

Am 2. November feiert die katholische Kirche das Fest „Allerseelen“. An diesem Tag gedenkt die Kirche all ihren Verstorbenen, „allen Seelen“. Traditionell werden in der Allerseelenmesse die Namen der Verstorbenen des letzten Jahres vorgelesen. Die liturgische Farbe ist lila, also wie in der Fasten- und Adventszeit. Im Gottesdienst werden darum auch kein Gloria und kein Halleluja gesungen.

Der Gang zum Friedhof und die Gräbersegnung ist ursprünglich auf Allerseelen gewesen und hat sich aus pragmatischen Gründen auf den (arbeitsfreien) Vorabend an Allerheiligen verschoben. Der Allerseelentag am 2. November geht auf Abt Odilo von Cluny zurück; er hat diesen Gedenktag in allen von Cluny abhängigen Klöstern eingeführt. Bald wurde der Allerseelentag auch außerhalb der Klöster gefeiert. Für Rom ist er seit Anfang des 14. Jahrhunderts bezeugt. Von Cluny aus verbreitete sich der Allerseelentag in der ganzen lateinischen Kirche. Er steht theologisch in enger Verbindung mit der Lehre vom Fegefeuer (Reinigungsort, Purgatorium) als Ort der Läuterung der Verstorbenen, die Hilfe von den Lebenden durch Gebet, Fasten und Almosen erhalten.

In Mexiko hat das Fest einen besonderen Stellenwert: Der „Dia de Muertos“ (Tag der Toten) wird auf eine für uns befremdliche Art und Weise gefeiert. Der Tag der Toten ist keine Trauerveranstaltung, sondern ein farbenprächtiges Volksfest zu Ehren der Toten. Nach dem Volksglauben kehren die Seelen der Verstorbenen an diesen Tagen zu den Familien zurück, um sie zu besuchen. Während der Tage steht das Gedenken an die Verstorbenen im Vordergrund. Die Straßen werden mit Blumen geschmückt, Symbole des Todes und der Vergänglichkeit, Skelette und Schädel in den unterschiedlichsten Ausführungen, stehen in den Schaufenstern, überall sieht man Abbildungen der Calavera Catrina. Konditoreien produzieren kurz vor dem Fest die Calaveras de Azúcar, Totenschädel aus Zucker, Schokolade, Amaranto, Marzipan u. a., die die Namen der Toten auf der Stirnseite tragen.

Das Brauchtum zum Tag der Toten wurde 2003 von der UNESCO zum Meisterwerk des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit ernannt und 2008 in die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit übernommen.

Halloween

Halloween

Halloween

Am Abend des 31. Oktober wird unser Haus verdunkelt. Lichter aus, Rollläden runter und keiner öffnet, wenn es klingelt. Das machen wir seitdem uns das Haus mit Eiern beworfen wurde, nachdem wir auf die abendliche Wegelagerei abscheulich anzusehender und rotzfrecher Blagen unwirsch reagiert hatten.

Wie ist dieser Blödsinn entstanden und wie und wann kam er zu uns? Noch vor ein paar Jahren kannte man dieses „Brauchtum“ allemal aus amerikanischen Gruselfilmen. Daß Kinder Spaß am Verkleiden haben und auf „Beutezug“ gehen, kann ich noch irgendwie nachvollziehen. Aber es finden sich in unserer Gegend ganze Vorgärten, die mit Skeletten, Plastikspinnen und Kürbisköpfen verunstaltet sind – von erwachsenen Menschen versteht sich.

„Die Gruselmode zählt zu den dümmsten Importen, die je den Großen Teich überwunden hat“, schreibt Alexander Kissler. Ursprünglich soll es ja aus Irland stammen und keltische Wurzeln haben. Irische Einwanderer haben es dann in die USA gebracht, wo es – wie so vieles andere Brauchtum auch – hemmungslos kommerzialisiert wurde.

Noch einmal und abschließend Alexander Kissler: „Das Datum ist nicht zufällig gewählt. Einerseits wollte die Ramsch- und Schundindustrie „irgendwo im Kalender zwischen den Sommer-Grillpartys und dem ersten Advent noch ein Verkaufs-Event mit allem möglichen Schnickschnack etablieren“ (Margot Käßmann). Andererseits ist das punktgenau am Reformationstag platzierte Spektakel der Auftakt zum klassischen Totengedenken an Allerseelen und Allerheiligen. Christenbrauch ist es gewesen, derer zu gedenken, die gegangen sind. Welch schöne Sitte! Einmal im Jahr sollen zumindest gedanklich die Toten im Mittelpunkt stehen, nicht die lautstark um die eigene leere Mitte kreisende Gegenwart. Das aber will sich eine auf eben diese Leere so stolze Jetztzeit nicht bieten lassen: dass ein einziges Mal nicht sie das letzte Wort hat, sondern die ganz unverwechselbare Seele der Verstorbenen. Also lärmt die Gegenwart und macht Radau und färbt sich ganz besonders grell. Abgerechnet aber wird zum Schluss. Und Leich‘ bleibt Leich‘, da helfen keine Bonbons, keine Schminke“.

Meine Antipoden zu den Halloween-Geistern sind die Sternsinger. Die laden wir ausdrücklich zum Kommen ein und denen geben wir gerne: Geld für notleidende Kinder und als Belohnung Süßes. Das ist ein anderer, ein christlicher Geist. Und darum ist der 31. Oktober für mich auch immer noch und ausschließlich der „Reformationstag“. Amen.

Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay
Mein Fall. Eine ganz andere Geschichte

Mein Fall. Eine ganz andere Geschichte

Mein Fall. Eine ganz andere Geschichte

Momentan lese ich „Mein Fall“ von Josef Haslinger, in dem er seine Erlebnisse als Missbrauchsopfer in der katholischen Kirche aufarbeitet. Die Lektüre ist bedrückend und ekelhaft. Ich denke, es wird an der Zeit, den falschen Korpsgeist in der Kirche aufzugeben, für Transparenz zu sorgen, die Opfer – so weit möglich – zu entschädigen und die Verantwortlichen auch einem irdischen Richter zu überantworten, bevor sie in ewiger Verdammnis landen, so sie nicht umkehren zu Gott und aufrichtig bereuen.

Gerade angesichts der Lektüre ist es mir wichtig, eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Denn mein „Fall“ ist Gott sei Dank ganz anders verlaufen. Ich stamme aus keinem sehr frommen Elternhaus und bin zum Glauben, zur Kirche, zum Studium der Theologie hauptsächlich durch die Priester gekommen, die mir begegnet sind und die mich geprägt haben. Ich würde sie unterteilen in die „Väter“, die „Brüder“ und die „Söhne“.

Als ich Kind war, hatten wir einen versoffenen Pfarrer, so daß es mir leichtfiel, den leicht überheblichen „Pubertätsatheismus“ des Heranwachsenden zu pflegen. Aber dem Herrn Pfarrer sagten Wein und weibliche Reize zu, nicht kleine Jungs. Als ich 16 Jahre wurde, traten zwei der „Väter“ in mein (Glaubens)leben. Ein neuer Vikar und ein neuer Pastor. Es war wie eine Erlösung für einen begeisterungswilligen jungen Mann, hier mit Menschen zusammenzukommen, die ihren Glauben und ihr Zeugnis lebten. Und die uns Junge in unserer Ungestümheit, unserer Frechheit und unserer Rebellion gegen das „Alte“ ernst nahmen und führten. Dazu kam mein Religionslehrer, ein großartiger Mensch und Gelehrter, mit dem ich bis an sein Lebensende befreundet blieb. Was war ich stolz, als mir dieser „Vater“ irgendwann das Du angeboten hat.

Auch der nächste Vikar war ein großartiger Priester. Da er vorher Studentenpfarrer in Paris gewesen war und so redeten wir uns auch spaßeshalber mit „mon père“ und „mon fils“ an. Er führte uns durch Europa. Wir waren in Frankreich, in Polen, in Ungarn und erlebten so „Kirche“ in einem ganz anderen Kontext, größer, vielfältiger. Es war die erste Ahnung davon, daß unsere Kirche „katholisch“ ist, also allumfassend, total, universell. Mein letzter „Vater“ wurde dann mein Doktorvater an der Uni. Für viele Professoren sind Dissertationen ihrer Studenten eher eine lästige Sache (meine Frau musste das schmerzlich erfahren). Er aber führte mich mit fester Hand über die Klippen, von denen ein Jungakademiker schnell herunterfallen kann.

Dann kamen die „Brüder“. Hier möchte ich besonders zwei hervorheben, deren Vornamen beide mit J beginnen. Der eine führte mich zu meiner Berufung im Beerdigungsdienst. Er hat das Talent erkannt, das Gott mir da gegeben hat. Der andere ist mein jetziger Pfarrer, der auch als Krankenhausseelsorger tätig ist und mit dem ich zusammen ein Projekt angestoßen habe, wie Ärzte schwierige Gespräche mit Patienten führen lernen. In den verrückten Zeiten der Kirchenschließung haben wir einige Male bei uns zu Hause eine Hausmesse gefeiert, was eine sehr intensive Erfahrung ist. Beide achte und schätze ich als Mensch, als Christ und als Priester.

Bleiben die „Söhne“. Da ist bislang noch nicht viel in Sicht, aber bei uns im Pastoralverbund gibt es einen jungen Vikar, der sehr vielversprechend ist und der ein glaubwürdiger Zeuge mit einer tiefen und echten Frömmigkeit ist, ein wahrhaft Berufener. Er wird auch segensreich wirken und wie alle wirklich guten Priester in der Kirche kaum eine große Karriere machen.

Gott hat mir mit diesen Glaubenszeugen eine große Gnade widerfahren lassen. Ich danke Gott für diese Zeugen, aber ich danke auch den Glaubenszeugen selbst. Denn Gottes Wirken ist nicht magisch, sondern konkret in menschlicher Begegnung und Zuwendung. Denn wie titelt der (evangelische) Pfarrer und Publizist Helmut Mathies sein neues Buch: Gott kann auch anders.

Abbruch statt Abschied

Abbruch statt Abschied

Abbruch statt Abschied

Diese Woche hatte ich wieder so einen Fall, daß jemand plötzlich und unerwartet aus dem Leben schied. Der Sohn schaute bei seiner Mutter vorbei, weil er nichts gehört hatte. Und da fand er sie tot vor.

Es war natürlich ein Schock. Daß dann auch noch die Kriminalpolizei eingeschaltet wurde aufgrund eines „ungeklärten“ Todesfalls, macht die Sache noch schlimmer. Kripo im Fernsehen ist doch anders als Kripo im Haus. Das ist eine zusätzliche Belastung für die Angehörigen.

Das Grundproblem solcher Menschen ist aber, daß sie keinen Abschied voneinander nehmen können. Ein plötzlicher Todesfall ist ein kompletter Beziehungsabbruch. Von hundert auf null in einer Sekunde. Nicht wenige Menschen werden durch diesen abrupten Beziehungsabbruch traumatisiert. Das bedeutet, sie reagieren oft unkontrolliert und hilflos.

Das ist verständlich, denn ein Trauma ist die natürliche Reaktion auf ein unnatürliches Ereignis. Wenn jemand plötzlich und unerwartet stirbt, ist dies nun einmal ein unnatürliches Ereignis für die Betroffenen. Sie haben keine Chance gehabt, sich innerlich vorzubereiten, also den Abschied vorzubereiten.

Bei nicht vorhersehbaren Suiziden – speziell schwer Depressiven „tarnen“ ihre Suizidplanung mit großer Akribie – kommen noch Schuldgefühle dazu. Das macht die Sache noch schlimmer.

Bei vielen Menschen kann es lange dauern, bis der Beziehungsabbruch verarbeitet werden kann. Darum habe ich jetzt auch mein Angebot erweitert und biete Menschen Hilfe an, wenn die Bestattung schon lange vorbei ist. Gerade bei Beziehungsabbrüchen kann eine solche Hilfe nötig werden: https://trauer-mueller.de/individueller-gespraechstermin 

Bild von Ulrike Mai auf Pixabay
Kinder auf Beerdigungen

Kinder auf Beerdigungen

Kinder auf Beerdigungen

Ich habe es gerne, wenn kleine Kinder auf Beerdigungen anwesend sein. Alleine ihre Gegenwart wirkt entspannend. Ihre Unbekümmertheit ist manchmal nahezu anrührend. Irgendwann hatte ich mal einen kleinen Enkel, der den Weg zum Grab als Abenteuer auffasste und ständig um den Sarg seiner Oma herumlief, bis wir am ausgehobenen Grab ankamen. Keiner hat den Jungen zurechtgewiesen oder Anstoß genommen an seinem Verhalten. Im Gegenteil. Auch Babygeschrei während der Feier stört mich nicht – im Gegensatz zum Klingeln des Handys bei Erwachsenen.

Dazu kommt, daß Kinder uns zeigen, daß das Leben weitergeht. Daß der Tod zwar Bestandteil unseres Lebens ist, aber letztlich das Leben nicht aufhört. Ein Friedhof, auf dem ich häufiger arbeite, liegt direkt neben einem Kindergarten. Wenn man also an bestimmten Stellen nahe am Zaun ist, kann es passieren, daß die tieftraurige Andacht von kreischenden und johlenden Kinderstimmen von jenseits des Zauns überlagert wird. Mir gefällt das und ich merke auch, daß es oft auch trauenden Angehörigen ein Lächeln entlockt. Auch sie empfinden den „Lärm“ nicht als störend, sondern eher als tröstend.

Wenn Kinder selbst trauern, weil sie z.B. ein Elternteil verloren haben, ist das etwas anderes. Zu diesem Thema hatte ich mich schon ausführlich geäußert:
https://trauer-mueller.de/kinder-und-tod-wenn-eltern-sterben/

Und jeder, der Kinder liebt, ist in guter Gesellschaft: „In jener Stunde kamen die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist denn im Himmelreich der Größte? Da rief er ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte und sagte: Amen, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich hineinkommen. Wer sich so klein macht wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. Und wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf“ (Mt 6,1-5)

Bild von Myriam Zilles auf Pixabay